(„Concerning Violence“ directed by Göran Hugo Olsson, 2014)
Man mag es kaum glauben angesichts der aktuellen Diskussionen um die zunehmende Irrelevanz Europas, aber es gab eine Zeit, da war der alte Kontinent tatsächlich der Nabel der Welt. Mehr noch, gleich mehrere Großmächte wetteiferten um die Vorherrschaft um den Rest des Planeten, teilten eifrig auch alle anderen Kontinente unter sich auf. Die große Zeit der Kolonien ist zwar längst vorbei, doch einige Länder kämpfen noch immer mit den Schatten der Vergangenheit und dem Versuch, eine eigene Identität aufzubauen. Nirgends wird das deutlicher als in Afrika, wo der Abzug der früheren Herrscher zu einem Machtvakuum führte.
Dorthin entführt uns der schwedische Dokumentarfilmer Göran Hugo Olsson und zeigt Archivaufnahmen der unterschiedlichsten Länder des schwarzen Kontinents, die zwischen den 60ern und 80ern gedreht wurden. Für Geschichtsinteressierte ist das auf jeden Fall spannend, wir sehen Bilder aus Rhodesien, aus Tansania, Angola, Weiße und Schwarze, Missionare und Revolutionäre. Und den Tod. Immer wieder sehen wir Gewalt, Verstümmelungen, grausige Bilder aus einer grausigen Epoche, als Afrika seine Freiheit zurückforderte.
Während das Gezeigte auf jeden Fall Wirkung hinterlässt, ist das Drumherum deutlich fragwürdiger. Olsson begnügte sich nicht damit, die Aufnahmen für sich zu sprechen, sondern nutzte einen Kniff, um einen „Zusammenhang“ herzustellen: Zwischen den neun Szenen lässt er Ex-Fugees-Sängerin Lauryn Hill aus „Die Verdammten dieser Erde“ vorlesen, jener Schrift des französischen Denkers und erbitterten Koloniegegners Frantz Fanon. Inhaltlich passt das natürlich ideal zusammen, die Kombination der erschreckenden Bilder und der flammenden Forderung nach Freiheit geht durch Mark und Bein.
Doch lange hält der Effekt des Überraschungsangriffs nicht an. Ähnlich wie Everyday Rebellion kürzlich verzichtet auch diese Anti-Gewalt-Dokumentation auf einen Kontext, tut so, als wären die Nine Scenes from the Anti-Imperialistic Self-Defence im Grunde austauschbar. Ein bisschen mehr Auseinandersetzung mit den einzelnen Geschichten wäre schön gewesen, denn so verkommt Concerning Violence zu einer einzigen Europakritik. Und so berechtigt die Anklage der Verbrechen von einst auch ist, ganz erschließt sich nicht, inwiefern die 50 Jahre alte Schrift außerhalb ihres historischen Hintergrundes heute noch relevant ist.
Was fehlt ist ein Blick ins heute und auf die Alternativen. Was bedeutet die geforderte Dekolonisierung? Welche Folgen hat das, wenn ein unterdrücktes Volk plötzlich auf sich gestellt ist? Antworten darauf gibt es nicht – obwohl Fanon in seinem Manifest auch darüber sprach – es werden nicht einmal die Fragen gestellt. Dadurch bekommt Concerning Violence einen unangenehm dogmatischen Beigeschmack, den es überhaupt nicht gebraucht hätte, schließlich wären die neun Szenen für sich genommen schon spannend genug gewesen.
Concerning Violence läuft ab 18. September im Kino
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