(„True Detective“ directed by Cary Joji Fukunaga, 2014)
Es gibt Anblicke, die bieten sich selbst erfahrenen Polizisten nur einmal im Leben. So wie der der ermordeten jungen Frau. Sicher, Leichen gehören zum Geschäft dazu, nur werden die normalerweise nicht mit eigenartigen Symbolen bemalt. Von dem aufgesetzten Hirschgeweih ganz zu schweigen. Die Detectives Rustin Cohle (Matthew McConaughey) und Martin Hart (Woody Harrelson) machen sich 1995 auf die Suche nach dem Mörder der Prostituierten und finden auch tatsächlich den Schuldigen. Oder vielleicht doch nicht? Siebzehn Jahre später – die beiden haben ihren Job längst an den Nagel gehängt – werden die beiden selbst von der Polizei zu dem alten Fall befragt, denn ein neues Mordopfer wurde in einer ganz ähnlichen Pose zurückgelassen.
Dass immer mehr Filmstars ihren Weg ins Fernsehen finden und die Serie als lukrative Bühne entdecken, ist kein großes Geheimnis. Trotzdem dürfte so mancher gestaunt haben, als Matthew McConaughey und Woody Harrelson sich als Hauptdarsteller für einen Krimimehrteiler verpflichteten. Braucht es das? Gibt es nicht eh schon viel zu viele Ermittler, die wöchentlich über die Mattscheibe huschen? Mag schon sein, aber mit denen hat True Detective nur wenig gemeinsam.
Größter Unterschied ist das deutlich verlangsamte Tempo. Hasten andere Serien wie zuletzt auch The Blacklist von Fall zu Fall und müssen pro Folge mindestens einen Verbrecher schnappen, manchmal sogar mehrere, haben Rust und Marty acht Folgen Zeit, um das Rätsel des Ritualmords zu lösen. Wirklich eilig hat es hier deshalb niemand. Doch dieses ausgesprochen großzügige Zeitfenster nutzt Serienerfinder und Drehbuchautor Nic Pizzolatto aber nicht nur für die Mördersuche, sondern auch um Land und Leute vorzustellen, vor allem aber seine beiden Detectives. Die Entscheidung, diese Rollen mit zwei großen Schauspielern zu besetzen, sie macht sich am Ende bezahlt, wenn wir dank der brillanten Leistungen von Matthew McConaughey und Woody Harrelson immer tiefer hineingezogen werden.
Vergleichbar zu Sherlock gerät der eigentliche Fall da oft ins Hintertreffen, ist nicht mehr als eine Fußnote, die hinter dem ausführlich beleuchteten Verhältnis der beiden Polizisten zurücktreten muss. War dies bei der britischen Kultserie jedoch sehr von Humor geprägt, hat man nie nur sehr selten einen Grund zum Lachen. „Touch darkness and darkness touches you back“ prangt groß auf dem Cover, und das darf man dann auch tatsächlich wörtlich nehmen. Helden gibt es hier keine, man wird sich sogar schwer damit tun, überhaupt für eine Figur so etwas wie Sympathie zu entwickeln: Der eine Cop ist sozial gestört und hat ein Alkoholproblem, der andere ist cholerisch veranlagt und hält nicht viel von Treue. Tatsächlich ist Martys schwierige Ehe mit Maggie (Michelle Monaghan) ein Dauerthema, oft sogar wichtiger als die ermordeten Frauen. Natürlich gab es schon immer kaputte Polizisten in Film und Fernsehen, aber Pizzolatto ging noch einen Schritt weiter. Die Unerträglichkeit des Seins findet hier kein Gegenmittel, keine Antworten. Höchstens die Flucht: Einsamkeit, Alkohol, Tod.
Düster sind aber nicht nur die Geschichte und die Hauptfiguren, auch beim Drumherum tauchen wir tief ein in die Sümpfe Louisianas. Unterfüttert von einer Musik aus der Feder des legendären Produzenten T Bone Burnett, die mal Country, mal Blues, dann nur wummernder Horrorscore ist, sehen wir großartige Bilder von der weiten Natur. Häuser und Menschen gibt es, aber sie sind selten, fast schon Fremdkörper in der bodenlosen Wildnis. Und allein schon für Folge vier lohnt es sich, True Detective einmal gesehen zu haben, dessen sechsminütige, völlig schnittfreie Actionsequenz schon jetzt Fernsehgeschichte geschrieben hat.
Dabei vergisst man dann auch, dass die eigentliche Geschichte von Regisseur Cary Joji Fukunaga (Sin Nombre) zwar interessant erzählt ist – es gibt einen Erzählstrang 1995 und einen von 2012, die ständig ineinander übergreifen –, für sich genommen aber völlig banal ist. Die Dialoge sind nicht von dieser Welt, die Ermittlung beiläufig, oft sogar willkürlich. Wen bei einer Krimiserie vor allem der Fall an sich interessiert, der kann die HBO-Produktion getrost ignorieren. Hier gibt es keine großen Rätsel und – abgesehen vom Finale – nicht einmal wirklich Spannung. Aber True Detective will eben keine normale Krimiserie sein, sondern ist in erster Linie Charakterstudie, ein Hinabgleiten in die Abgründe der menschlichen Seele und die damit verbundene Suche nach Erlösung.
True Detective ist seit 4. September auf DVD und Blu-ray erhältlich
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