Who Am I – Kein System ist sicher

Who Am I – Kein System ist sicher

(„Who Am I – Kein System ist sicher“ directed by Baran bo Odar, 2014)

Who Am I – Kein System ist sicherSein ganzes Leben lang war Benjamin (Tom Schilling) unsichtbar für andere gewesen: Im Sport wählte ihn keiner ins eigene Team, Frauen nahmen keine Notiz von ihm, sein Geld verdient er als Pizzalaufbote. Nur eine Sache kann er wirklich gut, und ausgerechnet hier kommt ihm seine Unscheinbarkeit auch sehr entgegen: Er ist ein brillanter Computerhacker. Als er eines Tages Max (Elyas M’Barek), Stephan (Wotan Wilke Möhring) und Paul (Antoine Monot jr.) kennenlernt und mit ihnen das Hacker-Kollektiv CLAY gründet, fühlt er sich zum ersten Mal in seinem Leben als Teil von etwas Größerem. Doch deren spaßigen Aktionen werden von niemandem ernstgenommen, was gewaltig an Max’ Ego kratzt. Als die vier beim BND einbrechen, um die Aufmerksamkeit der Hacker-Ikone MRX zu erlangen, wird aus dem Spaß jedoch tödlicher Ernst.

Who Am I als Titel ist sicherlich passend gewählt bei einem Film, der von Anonymität handelt, von der Suche nach einer eigenen Rolle im Leben. Und spätestens, wenn der deutsche Thriller zum Ende hin einige Wendungen einbaut und man sich als Zuschauer nicht mehr ganz sicher sein kann, wem hier noch zu trauen ist, wird die Frage ohnehin zum thematischen Mittelpunkt.Who Am I – Kein System ist sicher Szene 1

Gleichzeitig ist der Titel aber auch programmatisch für einen Film, der sich einfach nicht entscheiden kann, was er nun sein will. Thriller steht in der Genrebeschreibung, nur fehlt dafür aber lange Zeit der „thrill“, die Spannung. Unterhaltsam ist es, wenn die vier Jungs allerlei Blödsinn anstellen, Wotan Wilke Möhring entgegen seiner üblichen Rollen hier als durchgeknallter Proll mal so richtig die Sau raus lassen kann. Nur kommt Who Am I damit einer Teenie-Komödie deutlich näher, als es der Film vermutlich wollte und steht im krassen Widerspruch zum ernsten Ton der Rahmenhandlung. Dass die Dialoge nicht sehr lebensecht sind und auch noch eine im Grunde überflüssige Liebesgeschichte eingebaut wird – Benjamin ist hoffnungslos in seine frühere Mitschülerin Marie (Hannah Herzsprung) verknallt – verstärkt den Eindruck der Willkürlichkeit.Who Am I – Kein System ist sicher Szene 2

Dramaturgisch unausgereift wird da so mancher Kritiker verächtlich schreiben. Mag sein. Irgendwie macht die konfuse Herangehensweise gleichzeitig aber auch irgendwo den Reiz des Films aus, eben weil hier nie abzusehen ist, wohin der Weg als nächstes führt. Nicht alle Zwischenstationen sind dabei interessant, manchmal begnügte sich Regisseur und Ko-Autor Baran bo Odar mit Genrekonventionen, bewährten Figurenkonstellationen oder allzu deutlichen Verbeugungen vor Klassikern. Dass Tom Schilling und Elyas M’Barek ihre jeweiligen Paraderollen als sanfter Träumer bzw. charismatischer Draufgänger wiederholen dürfen, zeugt auch nicht gerade von großer Experimentierfreude.

Doch hin und wieder zeigt Baran bo Odar auch einen ganz eigenen Zugang zur Materie. Brillant ist beispielsweise der Einfall, die anonymen Chataktivitäten symbolhaft in einer heruntergekommenen U-Bahn nachspielen zu lassen. Das ist nicht nur originell, er findet damit sogar eine Möglichkeit, die sonst dröge Hackertätigkeit atmosphärisch ins Bild zu setzen. Überhaupt ist die Optik des stylischen Thrillers auf internationalem Niveau, unterhaltsamer als Inside Wikileaks ist man ohnehin. Zum wirklichen Highlight fehlt es hier zwar, dafür hätte die Geschichte einfach interessanter sein müssen. Aber die Zeit geht schnell vorbei. Und dafür ist man angesichts oftmals biederer Genrebeiträge ja schon dankbar.



(Anzeige)

Sowohl beim Zuschauer als auch beim Film selbst ist Verwirrung Programm, zu unentschlossen schlingert Who Am I – Kein System ist sicher umher. Da passt vieles oftmals nicht zusammen, unterhaltsam ist der deutsche Thriller aber und dazu noch optisch gut umgesetzt.
6
von 10