(„Lamento“ dircted by Jöns Jönsson, 2014)
Johannes (Hendrik Kraft) kommt! So richtig groß ist die Freude bei Magdalena (Gunilla Röör) darüber aber nicht, denn bis zu dem Zeitpunkt schaffte sie es ganz gut, nicht an den Selbstmord ihrer Tochter zu denken. Doch als deren deutscher Exfreund bei seiner Rundreise in Schweden Halt macht, um seine alten Schallplatten abzuholen, kommen auch die Erinnerungen zurück. Nur einen Tag bleibt Johannes in der Stadt, doch das ist genug, um die Schleusen zu öffnen. Und damit die Erkenntnis, dass Magdalena den Tod sehr viel weniger verarbeitet hat, als sie dachte.
Lamento mag Regisseur und Drehbuchautor Jöns Jönsson seinen Film genannt haben, doch mit Lamentieren, dem lautstarken Beklagen des eigenen Leids, hat sein Spielfilmdebüt so gar nichts am Hut. Im Gegenteil: Das Drama beschäftigt sich über lange Zeit eben nicht mit der ungenierten Zurschaustellung von Gefühlen, sondern deren Unterdrückung. Dem Nichtzulassen, dem Verschweigen. Das geht hier so weit, dass Magdalena im Alltag so tut, als wäre nichts gewesen, nicht einmal mit ihrem neuen Freund spricht sie über das Thema. Selbstmord, war da was?
Für den Zuschauer ist das Herausforderung und Belohnung zugleich. Gerade zu Beginn dürften sich die meisten sehr schwer mit der deutschen Produktion tun. Nicht nur Sarah – so der Name der Toten – verschwindet hinter einem Schleier nebulöser Andeutungen und Halbsätze, auch der Rest der Figuren wird nie so richtig vorgestellt. In welcher Beziehung stehen sie zu Magdalena? Wer ist dieser Johannes? Und wieso hat Magdalena seine Plattensammlung? Durch diesen bewusst schweren Zugang zu Charakteren und Geschichte dürften die meisten hier längere Zeit sehr verwirrt sein, vielleicht sogar gelangweilt. Denn richtig viel Handlung gibt es hier nicht, die einzelnen Episoden haben nicht viel miteinander zu tun.
Doch wenn sich nach und nach die Puzzleteile zusammensetzen und ein Gesamtbild ergeben, wird Lamento doch noch zu einer lohnenswerten Angelegenheit. Einige Punkte hätte man sicher etwas eleganter und natürlicher integrieren können. So ist Johannes als Auslöser für die überfällige Auseinandersetzung ein nachvollziehbarer Einfall, dessen Grund zur Reise nach Schweden jedoch eher weniger. Auch eine andere dramatische Initialzündung zum Ende hin ist recht konstruiert.
Doch trotz der gelegentlichen Unglaubwürdigkeit, zwischendrin gibt es immer wieder starke Szenen, etwa wenn Magdalena ohne jeden Anschein von Betroffenheit über das Schicksal ihrer Tochter spricht. Aber auch – vielleicht sogar gerade dann – wenn sich Risse zeigen in der Fassade, die gewaltsam unterdrückten Gefühle doch noch ihren Weg finden. Und so ist Lamento aufgrund seiner spröden Herangehensweise vielleicht nicht der emotional bewegendste Film zum Thema Tod und Verlust, aber dafür ein interessantes Beispiel, wie unterschiedlich Leute damit umgehen. Mit Leere und Trauer. Und auch mit Schuldgefühlen darüber, einen geliebten Menschen nicht am Leben gehalten zu haben.
Lamento läuft ab 9. Oktober im Kino
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