(„Under the Skin“ directed by Jonathan Glazer, 2013)
„Könnten Sie mir den Weg zeigen?“ Neu ist die Masche nicht, variiert wird ebenso wenig. Doch Originalität ist auch nicht wirklich notwendig, wenn man so überirdisch schön ist wie Laura (Scarlett Johansson). Das ist in ihrem Fall auch kein großes Wunder, denn die hübsche Frau ist tatsächlich ein Alien. Und eines mit einem großen Appetit auf Mensch. Aus diesem Grund fährt sie auch ohne Ende mit ihrem Van durch Schottland, sammelt Männer ohne große Bindungen, dafür aber großem Verlangen auf und bringt sie in eine Wohnung, aus der sie nie wieder lebend entkommen.
Neun Jahre Pause hatte der Werbe- und Musikvideoregisseur Jonathan Glazer eingelegt, bevor er mit Under the Skin erneut dem Filmgeschäft einen Besuch abstattete – allein das sorgte bereits im Vorfeld für viel Aufmerksamkeit. Dabei hätte es das gar nicht gebraucht, wer die seltsame Mischung aus Science Fiction und Thriller das erste Mal sieht, wird ihn auch ohne Hintergrundwissen so schnell nicht wieder vergessen.
Am Inhalt liegt das weniger, denn dem verweigert sich die lose Adaption des gleichnamigen Romans von Michel Faber fast völlig. Nach einem äußerst surrealen Einstieg, dessen einziger Erkenntnisgewinn darin besteht, dass Laura nicht-menschlichen Ursprungs ist, sind wir auch schon mit ihr in den Straßen unterwegs, immer auf der Suche nach Menschen, die einsam sind. Verloren. Menschen, die keiner vermissen wird. Allein deshalb hat Under the Skin von Anfang an auch etwas Melancholisches an sich. Trostloses. Finsteres.
Und natürlich etwas Rätselhaftes, denn Erklärungen gibt einem Glazer nicht an die Hand. Wie auch, wenn es nahezu keine Dialoge gibt? Man muss sich schon einige Minuten gedulden, bis überhaupt jemand etwas sagt. Und wenn, handelt es sich dabei um die recht nichtssagenden Gespräche mit den potenziellen Opfern. Die wurden dann auch von Laien gespielt, die aufgezeichneten Konversationen wurden heimlich mit versteckten Kameras gefilmt. Aus diesem Grund wirkt Under the Skin oft auch gar nicht wie ein Film, sondern vielmehr wie eine Fernsehsendung, bei der ein Reporter Reaktionen von Passanten aufsammelt.
Diese Beliebigkeit nimmt jedoch ein jähes Ende, sobald die Männer mit Laura die Wohnung betreten. Was folgt ist eine der verstörendsten Sequenzen, die man dieses Jahr in einem Film zu sehen bekam. So fremdartig anders, so faszinierend, so unsterblich schön und unsterblich schrecklich zugleich. Sicher könnte man versuchen, diese zu beschreiben. Ganz einfach wäre das jedoch nicht, vor allem aber unsinnig: Wie wir hier, begleitet von einer großartigen, hypnotischen Musik, im Nichts verschwinden, muss das erlebt, nicht erzählt werden. Dass Under the Skin insgesamt fast schon übertrieben nichtssagend ist, hier Figuren auftreten, über die wir nichts wissen, oft nicht mal den Namen, wird da zur Nebensache. Denn dieses Rätseln gehört gerade dazu, die freie Leinwand, die wir mit Interpretationen füllen dürfen.
Wenn der Film ein Problem hat, dann sind es auch gar nicht die vielen bizarren Momente, sondern dass nach diesen starken audiovisuellen Alpträumen einfach nichts Interessantes mehr kommt. In der zweiten Hälfte von Under the Skin bewegt sich der Fokus weg von den monströsen Vorgängen hin zum Monster selbst und dessen Wunsch, keins mehr zu sein – ein Thema also, das einem im Horrorgenre doch recht häufig begegnet. Das jedoch ist naturgemäß schwer zu vermitteln, wenn auch aufgrund der fehlenden Dialoge kein Zugang zu Laura möglich ist. Dass zudem auch die Einfälle fehlen – seien sie auf der inhaltlichen oder der inszenatorischen Seite – um dem altbekannten Motiv neues Leben einzuhauchen, weicht die anfangs immens große Faszination zuerst der Gleichgültigkeit, später sogar der Langeweile. Und dieser zunächst so einmalige Film wird auf einmal etwas, was man bei aller Unvorhersehbarkeit der Ereignisse wohl am wenigsten erwartet hätte: banal.
Under the Skin ist seit 10. Oktober auf DVD und Blu-ray erhältlich
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