(„Big Bad Wolves“ directed by Aharon Keshales and Navot Papushado, 2013)
Er ist der Schuldige, davon ist Micki (Lior Ashkenazi) völlig überzeugt. Und so zögert der Mann von der Mordkommission auch nicht, beim Verhör von Dror (Rotem Keinan) ein bisschen Gewalt anzuwenden. Schließlich steht der Lehrer im Verdacht, eine Reihe von Mädchen entführt, misshandelt und getötet zu haben. Als Mickis Chef von den skrupellosen Methoden erfährt, suspendiert er den Hitzkopf, ermuntert ihn jedoch dazu, außerhalb des offiziellen Weges seine Untersuchungen fortzusetzen. Was dieser auch tut, zunächst allein, dann mit der Unterstützung von Gidi (Tzahi Grad), dem Vater eines der Opfer. Denn auch der brennt darauf, den Mörder seiner Tochter der Gerechtigkeit zuzuführen.
Nein, auch wenn der Titel bewusst darauf anspielt, mit „Rotkäppchen“ hat Big Bad Wolves abgesehen von kleinen Mädchen und bösen Kreaturen nur wenig gemeinsam. Dass es bei der israelischen Produktion nicht unbedingt märchenhaft zugehen würde, ist wenig überraschend, lief sie doch 2013 im Rahmen des Fantasy Filmfests. Doch selbst Stammbesucher des für seine wenig zimperlichen Beiträge bekannten Festivals dürften teilweise ihren Augen und Ohren nicht getraut haben, denn derart bösartig geht es selbst dort nur selten zu.
Dabei ist die Ausgangslage gar nicht mal so anders als bei thematisch vergleichbaren Filmen. Sieht man einmal davon ab, dass den Mädchen der Kopf abgetrennt wird, folgt Big Bad Wolves altbekannten Thrillerpfaden: vermisste Kinder, ein vermeintlicher Täter, ein Wettlauf gegen die Zeit. Wie weit darf man gehen bei dem Versuch an die Wahrheit zu gelangen? Wann heiligt der Zweck die Mittel? Was wiegt schwerer, das Risiko eines weiteren Mordfalls oder jenes, einen Unschuldigen zu bestrafen? Prisoners stellte vor etwa einem Jahr ganz ähnliche Fragen und zeigte anschließend verstörende Abgründe, in denen gut und böse plötzlich nicht mehr auseinanderzuhalten waren. Aharon Keshales und Navot Papushado, die hier sowohl für Regie wie auch Drehbuch zuständig waren, tun das auch, bis zum Schluss bleibt offen, ob Dror überhaupt der Schuldige ist.
Anders als Prisoners, welches das Thema in voller Ernsthaftigkeit anging, ist Big Bad Wolves von Humor durchsetzt. Wären da nicht die diversen Folterszenen, welche die Freigabe ab 18 Jahren absolut rechtfertigen, die israelische Variante hätte auch als reine Komödie in der Tradition von Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone funktioniert, wenngleich die Gags hier oft von tiefschwarzer Färbung sind. Geschmacklos wird es auch hin und wieder, für einige dürfte dabei auch die persönliche Schmerzgrenze überschritten werden. Dass Quentin Tarantino den Film als besten von 2013 bezeichnet, verwundert dann auch nicht weiter. Wer jedoch auch beim Humor hart im Nehmen ist, findet hier eine wahnwitzige Genremischung und eines der seltenen tatsächlich gelungenen Beispiele dafür, dass Komik und Spannung sich nicht zwangsweise widersprechen müssen.
Getrübt wird dieser kaum politisch korrekte Spaß allenfalls durch die kaum ausgearbeitete Geschichte, die sich oftmals weigert, Hintergründe oder Kontexte zu liefern. Ob es nun die Figuren sind oder die Verhaftung Mickis, hier wird nichts näher beleuchtet, stattdessen geht es gleich mitten ins Geschehen. Das eine oder andere Fragezeichen bleibt so selbst nach dem Abspann zurück, die Abwechslung hält sich insgesamt auch eher in Grenzen. Doch beides schadet Big Bad Wolves nicht wirklich, der äußerst kurzweilige Film kommt ohne nennenswerte Hänger aus und fesseln den Zuschauer bis zum Schluss an den Bildschirm, auch wenn so mancher Blick in den besonders brutalen Szenen abseits des Fernsehers sein Heil suchen dürfte.
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