Branded to Kill

Branded to Kill

(„Koroshi no rakuin“ directed by Seijun Suzuki, 1967)

Branded to KillMangelnde Ambitionen lassen sich Goro Hanada (Jo Shisido) sicher nicht vorwerfen, denn der hat es sich in Kopf gesetzt, zur Nummer eins in seiner Organisation aufzusteigen. Nur läuft der berufliche Aufstieg in ein wenig anders ab, wenn man wie er der Profession der Auftragskiller angehört. Als einer seiner Einsätze schiefgeht, steht er nun selbst auf der internen Fahndungsliste – und damit im Visier von der derzeitigen legendären Nummer eins (Koji Nanbara), von der niemand so genau weiß, wer sie eigentlich ist. Und dann ware da noch die mysteriöse Misako (Annu Mari), Auftraggeberin des verpatzten Einsatzes, in die sich Goro Hals über Kopf verliebt.

„Ich fühle mich unwohl, wenn ich mich an Regeln halten muss, also musste ich auf meine Art Filme drehen“, sagte Seijun Suzuki einmal in einem Interview. Das machte den Regisseur in den 60ern zu einem Vorreiter der experimentelleren japanischen Filmszene und zu einem bis heute oft studierten Objekt, gleichzeitig aber auch zu einem Alptraum für seine Studiobosse, die lieber konventionellere, massentaugliche Filme bekommen hätten. Doch diesem Wunsch hatte er mit Kanto Wanderer, Tattooed Life, vor allem aber Tokyo Drifter eine deutliche Absage erteilt. Und auch Branded to Kill hat trotz seines Protagonisten nur wenig mit den Yakuza-Filmen seiner Zeitgenossen gemeinsam.

Anders als die üblichen „Helden“ des Genres entspricht Goro so gar nicht dem Ideal des ehrenhaften, selbstbeherrschten Einzelgängers. Nicht nur, dass die Beziehung zu seiner Frau Mami (Mariko Ogawa) weniger auf Achtung oder Sympathie beruht, sondern reinem sexuellen Verlangen, er lässt die exotische Misako mit sich machen, was sie will. Und wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, sich mit den Launen seiner Gespielinnen herumzuplagen oder andere Menschen zu erschießen, dann schnüffelt er ganz gerne mal an gekochtem Reis. Misako wiederum hat ihren ganz eigenen Fetisch, findet Gefallen an Schmetterlingen und Vögeln. Allerdings weniger an den farbenfrohen, herumflatternden Gute-Laune-Boten, sie zieht es vor, die Tiere zu durchspießen und in ihrer Wohnung oder ihrem Auto auszustellen.Branded to Kill Szene 1

Das Komische und das Brutale, in Branded to Kill geht es so wie hier oft Hand in Hand. Auch wenn Goro später auf die sagenumwobene Nummer eins trifft, hat dies nicht den erwarteten spannenden Showdown zur Folge, sondern eine absurde Verkettung einzelner Szenen. Überhaupt: Kontinuität ist sicher eines der letzten Worte, das man benutzen würde, Suzukis Yakuza-Groteske beschreiben zu wollen. Das Drehbuch wurde von einem Konglomerat aus acht verschieden Schreibern verfasst, oft wurde auch erst am Drehset improvisiert. Verwunderlich ist es daher nicht, dass der Film an vielen Stellen einfach auseinanderbricht, nichts einheitlich ist und wahllos Szenen aufeinanderfolgen.

Dass jedoch macht den Klassiker zu einem gleichzeitig sehr spannenden und sehr langweiligen Filmerlebnis. Auf der einen Seite erliegt man schnell der Faszination, fragt sich, welchen verrückten Einfall Suzuki wohl als nächstes verfolgt. Gleichzeitig aber entsteht natürlich keine Spannungskurve, wenn auf verstörend-surreale Szenen alberner Slapstick folgt. So grandios manche Momente von Branded to Kill auch sind, so belanglos wird er an anderen Stellen. Dass das Budget damals sehr gering war und die wenigen tatsächlichen Actionsequenzen inzwischen gnadenlos veraltet sind, hilft dem Film auch nicht unbedingt weiter, ein größeres Publikum anzusprechen.Branded to Kill Szene 2

Wer Suzukis Magnum Opus genießen möchte, sollte deshalb am Besten jegliche Erwartungen im Vorfeld ablegen, einschließlich der, auf herkömmliche Weise unterhalten zu werden. Dann findet man hier eine Menge, die Anlass zum Rätseln, Staunen und Lachen gibt. Und auch zum Bewundern: Wenn Branded to Kill inhaltlich ein zweifelhaftes Vergnügen ist, bei den Bildern ist der Film über alle Zweifel erhaben. Das ausgeklügelte Szenenbild, die kunstvolle Inszenierung, die stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Optik, visuell ist die satirische Dekonstruktion auch bald 50 Jahre später noch ein Leckerbissen, der zudem von einigen kuriosen Spielereien wie Animationen aufgelockert wird. Und auch die lässige Jazzmusik zeugt von einem hohen Stilbewusstsein. Wer den Film bislang noch nicht kennt, kann die kürzliche erschienene Blu-ray zum Anlass nehmen, diese Wissenslücke zu schließen – und sei es nur als mutiges Gegenbeispiel zu den frustrierend vielen Veröffentlichungen, die ja nirgends anecken wollen.

Branded to Kill ist seit 7. November auf Blu-ray erhältlich



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Knapp 50 Jahre ist der Film schon alt, aber noch immer ist Branded to Kill ein faszinierendes und sehr stilbewusstes Beispiel dafür, wie sich ein Regisseur konsequent den vorherrschenden Normen widersetzt. Nicht alles davon ist jedoch unterhaltsam, oft genug ergibt sich die Yakuza-Groteske albernem Slapstick und langweiligen Belanglosigkeiten, auf einen roten Faden und eine Spannungskurve muss man verzichten.
6
von 10