(„La Belle et La Bête“ directed by Christophe Gans, 2014)
Ist es Glück? Unglück? Beides? Erst verliert der Händler (André Dussollier) durch einen Sturm seine Schiffe und damit seinen kompletten Reichtum. Und dann findet er sich auf dem Rückweg einer Reise plötzlich in dem verwunschen Schloss eines mysteriösen Biestes (Vincent Cassel) wieder. Dieses ist zunächst äußerst hilfsbereit, versorgt den ungeplanten Eindringling mit Nahrung und soviel Kostbarkeiten, wie er tragen kann. Doch als der Händler für seine Tochter Belle (Léa Seydoux) auch noch eine Rose im Garten pflückt, stößt die Großzügigkeit des Schlossherrn an ihre Grenzen – für den Diebstahl soll er mit seinem Leben bezahlen. Ein letztes Mal darf er noch zu seiner Familie, um sich von ihr zu verabschieden. Aber noch bevor er seine Schuld begleichen kann, beschließt Belle seinen Platz einzunehmen und an seiner Stelle zu dem Biest zu reiten.
Märchen und kein Ende: Nachdem Hollywood in den letzten Jahren unter anderem „Hänsel und Gretel“ (Hänsel und Gretel: Hexenjäger), „Hans und die Bohnenranke“ (Jack and the Giants) und „Dornröschen“ (Maleficent) durch den Fleischwolf drehen durfte, ist es nur gerecht, wenn sich auch Europa seines überlieferten Erbes einmal annimmt. Dafür suchte sich der französische Regisseur und Ko-Autor Christophe Gans eines der meist verfilmten Volksmärchens seines Heimatlandes aus. Im Vergleich zu seinen amerikanischen Kollegen hält sich Gans dabei relativ nah an die Vorlage. So ganz kann aber auch er nicht der Versuchung widerstehen, für das actionverwöhnte Publikum von heute noch ein bisschen mehr Abenteuer einzubauen und baut zu diesem Zweck den zwielichtigen Perducas (Eduardo Noriega) ein, welchem später eine wichtige Rolle zukommt. Und auch bei der Ursache für die Biestgestalt ging man eigene Wege.
Geschadet hat es dem Film nicht, denn trotz späterer Anlehnungen an Fantasyepen wie Herr der Ringe ist Die Schöne und das Biest in erster Linie ein traditionelles Märchen. Und ein zauberhaftes noch dazu. Wie schon bei seinen früheren Filmen Der Pakt der Wölfe und Silent Hill hat der französische Filmemacher ein sichtbar geschicktes Händchen für Ausstattung und Atmosphäre. Ob es nun die atemberaubenden Landschaften im Reich des Biestes sind, die verschwenderisch detailreiche Einrichtung des Schlosses oder auch die Kostüme, das Ergebnis sieht durchgängig fantastisch aus. Bei den Kreaturen aus dem Rechner stößt Gans zwar ein wenig an seine Grenzen, ansonsten muss sich die französische Produktion aber keinesfalls vor der großen Konkurrenz jenseits des Atlantiks verstecken.
Schade nur, dass er seinen Figuren nicht mit der gleichen Liebe begegnet wie dem Drumherum. Dass es ihnen an Tiefe mangelt, sie nie über Schablonenkonturen hinausragen, ist dabei angesichts ihrer Entstehung noch zu verzeihen. Schließlich wollen Märchen keine Charakterstudien sein, sondern auf eine leicht verständliche und fantasievolle Weise moralische Überzeugungen vermitteln. Und dafür war eine klare Unterscheidung in gut und böse, richtig und falsch unumgänglich.
Problematisch ist jedoch, dass Belle als Person zu distanziert und fremd bleibt. Anfangs als bescheidener, gutherziger Mensch charakterisiert, scheint ihr diese Wärme ab dem Betreten des Schlosses völlig zu fehlen, nur um am Ende urplötzlich Gefühle für das Biest zu haben. Der Weg dorthin jedoch, das eigentliche Entwickeln eben dieser Gefühle, den spart sich Gans völlig aus. Dies hat zur Folge, dass es Die Schöne und das Biest insgesamt einfach an Emotionalität mangelt. So richtig mitfühlen will man bei Belle irgendwie nicht, auch das dramatische Ende lässt einen eher kalt. Wer sich – auch durch andere Verfilmungen wie die Zeichentrickvariante Disneys vorbelastet – vor allem an den romantischeren Aspekten des Märchens erfreuen wollte, der wird nur wenig glücklich. Immerhin dürfen so auch weniger kitschaffine Zuschauer einschalten und gemeinsam mit den Figuren in einer zauberhaften Welt verloren gehen, die zu den schönsten dieses Kinojahres zählte.
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