(„Kraftidioten“ directed by Hans Petter Moland, 2014)
Kennen wir jemals unsere Kinder? Diese Frage müssen sich Nils Dickman (Stellan Skarsgård) und seine Frau Gudrun (Hildegard Riise) stellen, als ihr Sohn Ingvar eines plötzlichen Drogentodes stirbt. Während Gudrun sich ihrer Trauer hingibt, ist für Nils klar: „Unser Sohn war kein Junkie!“ Womit er auch recht hat: Was als Heroinmissbrauch getarnt wurde, war in Wirklichkeit ein vom Drogenbaron „Der Graf“ (Pal Sverre Valheim Hagen) in Auftrag gegebener Mord. Als Nils davon entfährt, beschließt er den Tod seines Sohnes zu rächen und jeden zu töten, der damit zu tun hat. Was eine ganze Menge ist, bald schon türmen sich in der schwedischen Einöde die Leichenberge.
Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird? In Filmen gilt das nicht immer. Ob es nun Western waren, sie in Thrillern praktiziert wird oder auch in Horrorstreifen, immer wieder durften und dürfen wir heißblütige Männer sehen, die sich für vergangenes Unrecht rächen wollen, gerne auch mit Gewalt. Einer nach dem anderen, so scheint es zumindest zu Beginn, hat dem nicht viel hinzuzufügen. Nils Dickmann, eigentlich ein angesehener Politiker und unlängst zum Bürger des Jahres gewählt, wird plötzlich zur hemmungslosen Killermaschine, eine Art Charles Bronson, nur auf Skandinavisch. Und zimperlich geht er dabei nicht zur Sache, die brutale Art und Weise, wie er sich der Verbrecher entledigt, lässt es einem anfangs kalt den Rücken hinunterlaufen.
Doch schon der englische Alternativtitel In order of disappearance – in Anlehnung an das aus dem Abspann bekannte „In order of appearance“ – zeigt, dass es der norwegische Film nicht ganz so ernst nimmt wie seine vermeintlichen Kollegen. Jedes Ableben, auf wessen Seite dieses sich auch zutragen mag, wird mit einer netten, kleinen Todesanzeige quittiert. Und davon gibt es im Lauf der knapp zwei Stunden eine ganze Menge. Hält sich Einer nach dem anderen bei den ersten Morden noch relativ eng ans Genrehandbuch, werden diese später zunehmend absurder, sowohl was die Umstände als auch die Häufigkeit betrifft.
Die Komik des Films zieht sich aber nicht nur aus den wahnwitzigen Tötungsakten, sondern auch an den zahlreichen skurrilen Figuren. Während Nils – von seinem skrupellosen Rachefeldzug einmal abgesehen – ein normaler Bürger ist, scheint der Rest aus einem Kuriosenkabinett geflüchtet zu sein. Der Graf ist besessen von gesunder Ernährung, ist mehr mit seinen Fruchtsäften als mit seiner Pistole beschäftigt. Aber dafür hat er eh nur wenig Zeit, denn er befindet sich im Dauerkrieg mit seiner Exfrau Marit (Birgitte Hjort Sørensen), die ihm das gemeinsame Sorgerecht für ihren Sohn entziehen will. Und dann wäre da noch Papa (Bruno Ganz), seinem Namen zum Trotz kein nettes Familienmitglied, sondern das röchelnde Oberhaupt der serbischen Konkurrenzbande, die alsbald ebenfalls beim mörderischen Treiben mitspielt.
Wer sich angesichts der Ausgangssituation einen herkömmlichen Rachethriller im Stil von 96 Hours erhofft, wird also nur teilweise glücklich. Denn so hart der Film zeitweise auch ist, er steht anderen Killergrotesken wie 7 Psychos dann doch näher. Ein Faible für trockenen, zynischen und sehr schwarzenHumor ist hier also Grundvoraussetzung. Ist das der Fall darf hemmungslos gelacht werden, denn Regisseur Hans Petter Moland und Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson (Gnade) fügen dem skandinavischen Kino einen Beitrag hinzu, der selbst den Vergleich mit Klassikern wie In China essen sie Hunde nicht fürchten muss. Die Charaktere gehen in dem Wahnwitz zwar ein wenig unter, allein schon weil sie selten lange überleben. Abgesehen von Nils, der bis zum Schluss – auch aus Mangel an Alternativen – Identifikationsfigur bleibt, hat kaum jemand Gelegenheit, zu einem tatsächlichen Menschen zu werden. Einer nach dem anderen ist dennoch ein bitterböser und bitterkalter Spaß, der nicht zuletzt aufgrund der vielen atemberaubenden Aufnahmen der norwegischen Winterlandschaft absolut sehenswert ist.
Einer nach dem anderen läuft ab 20. November im Kino
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