(„Feuerwerk am helllichten Tag“ directed by Yinan Diao, 2014)
China, eine unscheinbare Kleinstadt im Norden: Immer wieder tauchen hier 1999 an den verschiedensten Stellen Körperteile auf. Doch wie kommen sie hierher? Und wer war für das grausige Verbrechen verantwortlich? Ein Polizeieinsatz endet im Desaster, denn dabei kommen nicht nur die Verdächtigen, sondern auch zwei Polizisten ums Leben. Fünf Jahre später arbeitet der suspendierte Zhang Zili (Fan Liao) als Wachtmann und ist längst dem Alkohol verfallen. Doch dann geschehen plötzlich neue Morde, die an den alten Fall erinnern. Mit Hilfe von alten Kollegen nimmt Zhang Zili die Ermittlung wieder auf – und die führt ihn zu der geheimnisvollen Wu Zhizhen (Lun-mei Gwei), die in einer kleinen Reinigung arbeitet.
Während China lange ein recht hermetisch abgeschlossener Filmmarkt war, der nach ganz eigenen Regeln funktioniert, drängen in der letzten Zeit auffallend viele Filmemacher auf die internationale Bühne – und das in Genres, für welches das Reich der Mitte nicht unbedingt bekannt war. Einer davon ist Yinan Diao. Sieben Jahre arbeite der Regisseur und Drehbuchautor an Feuerwerk am helllichten Tag, drei Versuche brauchte er, bis er mit der Geschichte seines Neo-Noir-Krimis zufrieden war. Zeit spielte für den Chinesen daher offensichtlich keine große Rolle, und Geduld, die verlangt er auch den Zuschauern ab.
Nach dem blutigen Auftakt passiert nämlich erst einmal eine ganze Weile lang nichts. Und auch wenn später sich noch weitere Tote zum anfänglichen Sortiment dazugesellen, ausgedehnte Actionszenen sollte hier besser niemand erwarten. Gleiches gilt für den Krimianteil, der oft genug den eigentlichen Fall aus den Augen verliert. Wird die Handlung vorangetrieben, dann geschieht das fast beiläufig: Einige Ermittlungsschritte werden kaum erklärt, manchmal ohne rechte Überleitung von einer Szene zur nächsten gehastet – was bei einem 110 Minuten langen Film nicht unbedingt glücklich ist.
Während der Inhalt so nicht alle zufriedenstellen wird, ist die Verpackung über alle Zweifel erhaben. In bester Film-Noir-Tradition interessiert sich Yinan Diao vor allem für die dunkleren Aspekte des Lebens. Und das fängt beim Protagonisten an: Versoffen, übergewichtig, ohne große soziale Kontakte – mit seinen erfolgsverwöhnten Kollegen vieler Copfilme aus China bzw. Hongkong hat Zhang Zili nichts gemeinsam, nicht einmal mehr die Berufsbezeichnung. 44 Pfund futterte sich Fan Liao für seine Rolle an und erhielt den Silbernen Bären für seine Darstellung als gebrochener Antiheld.
Gold gab es sogar für den Film, auch wenn in Feuerwerk am helllichten Tag so gar nichts glänzen will. Viele Szenen spielen in dunklen Räumen oder bei Nacht, die Winteraufnahmen sorgen für eine bedrückende, unheilvolle Atmosphäre. Und selbst wenn wir etwas Helles sehen dürfen, den Schnee etwa, oder die seltenen Tageslichtaufnahmen, entkommt der Krimi nicht seiner Trostlosigkeit, dem Gefühl, von der großen Welt irgendwo, irgendwann vergessen worden zu sein. Die Sieger des wirtschaftlichen Aufschwungs? Hier sind sie nicht zu finden. Und je weiter wir in dem Fall kommen, umso stärker treten auch die persönlichen Geschichten hervor, die Suche nach dem Mörder wird zu einem höchst menschlichen, tieftraurigen Drama, in dem es keine Gewinner gibt. Nur Verlierer.
Und doch gibt es immer wieder Farbtupfer, kleine Momente des Glücks und der Hoffnung, all das hinter sich zu lassen. Immer wieder sehen wir wunderschöne Bilder voller Kontraste und Schattierungen, die einen alles um einen herum vergessen lassen. Und wenn wir uns dem titelgebenden Feuerwerk nähern, bekommt das chinesische Krimidrama sogar eine poetische Note. Doch die wird gleich wieder zunichte gemacht, wenn wir zum Schluss wieder in der Realität ankommen: schäbig, freudlos. Und manchmal eben mörderisch.
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