Graceland

Graceland

(„Graceland“ directed by Ron Morales, 2012)

GracelandEr missbraucht seine Macht, ist korrupt, zudem noch pädophil. Aber eben auch erfolgreich. Und so kann niemand wirklich dem philippinischen Politiker Manuel Changho (Menggie Cobarrubias) etwas anhaben. Bis er eines Tages von seinen sexuellen Vorlieben eingeholt wird und plötzlich in der Klatschpresse steht. Dank seines Einflusses kommt er glimpflich davon, dafür muss sein Chauffeur Marlon Villar (Arnold Reyes) büßen, der nicht gut genug die Spuren beseitigt hat. Doch der wahre Alptraum beginnt erst, als Marlon am Steuer der Luxus-Limousine von Gangstern überfallen wird, die seine Tochter entführen und die seines Arbeitgebers töten. Denn um sein Kind wiederzubekommen, darf niemand erfahren, dass das andere dabei ums Leben kam.

Leicht macht es einem Graceland sicher nicht, inhaltlich nicht, aber auch optisch. Frei nach dem Motto „wegschauen gilt nicht“ hält Regisseur Ron Morales bei seinem Zweitlingswerk auch dann noch die Kamera drauf, wenn andere längst abgeschaltet hätten. Entsprechend schmerzhaft ist der philippinische Film, der uns fast schon genüsslich die Schattenseiten Manilas aufzeigt: Alles ist verdreckt, verkommen, trostlos. Und wenn sich doch einmal eine Farbe ins ewige Grau verirrt, dann nur auf dem Grundstück der Oberschicht, die auch von der Bildsprache her in einer ganz anderen Welt lebt. Oder im Rotlichtmilieu. Doch hinter den funkelnden Neonfarben wartet kein Glück, keine Freude, sondern das Elend. Im bitter-ironisch betitelten Graceland unterwegs zu sein, bedeutet immer, mit einem Bein im Abgrund zu stehen. Mindestens. Und spätestens wenn wir im späteren Verlauf das Bordell selbst betreten, brennen sich die Bilder unwiderruflich ins eigene Gedächtnis rein.Graceland Szene 1

Dass Morales mit einem derart kritischen Film auf keine große Unterstützung von oben hoffen durfte, wundert nicht, denn wer ihn gesehen hat, verspürt keine große Lust, dieses Land je zu bereisen. Entsprechend schwierig waren dann auch die Dreharbeiten, die mit nur wenig Geld und unter hohem Zeitdruck entstanden. Diese widrigen Umstände erweisen sich bei Graceland als Stärke und Schwäche zugleich. Stark ist auf jeden Fall die Inszenierung geworden. Ob es nun die geradezu surrealen Müllberge sind oder die engen Gässchen, durch die rastlosen Aufnahmen der Handkamera entwickelt sich eine fiebrige Atmosphäre, das Gefühl in einem Alptraum gefangen zu sein.

Gleichzeitig hat die überhastete Erzählweise der Geschichte an sich aber mehr geschadet als genützt, denn hier ist kein Platz und keine Zeit mehr für Entwicklung. Das macht sich sowohl in der Handlung bemerkbar, den etwas wahllosen, teils auch willkürlichen Szenen. Vor allem aber leiden die Figuren darunter, die über das Anfangsstadium nie hinauskommen. Changho, seine Frau, die Polizei – sie alle bleiben schablonenhaft, ohne echte Eigenschaften. Und selbst Marlon hätte deutlich mehr Tiefe gebraucht, um als Identifikationsfigur zu funktionieren. Während die Kamera oft sehr nahe an ihn herangeht, bleibt das unter der Oberfläche verborgen.Graceland Szene 2

Der größte Schwachpunkt bleiben bis zum Ende die hölzernen Dialoge in Verbindung mit der missglückten Synchronisation. Schon in den ersten Minuten zuckt man unweigerlich zusammen, sobald eine der Figuren etwas sagt. Und daran wird sich leider auch nichts mehr ändern. Anstatt einen tiefer ins Geschehen zu ziehen, wird man ständig daran erinnert, sich gerade einen Film anzusehen. Diese fehlende Immersion wäre aber notwendig gewesen, um auch tatsächlich beim Kampf Marlons mitzufiebern oder sich überhaupt dafür zu interessieren. Dass so manche Wendung besser draußen geblieben wäre, sich die Figuren nicht immer nachvollziehbar verhalten und allgemein einiges an Graceland wenig plausibel ist, verstärkt den Eindruck der Künstlichkeit. Und das ist richtig schade, als reine Milieustudie wäre das Prostitutionsdrama fantastisch gewesen. In Kombination mit einem nur mäßigen Thriller bleibt der Film jedoch weit unter seinen Möglichkeiten. Doch trotz dieser inhaltlichen Schwächen, sehenswert ist das mutige und unbequeme Graceland unbedingt, denn nur selten wagt sich ein Filmemacher derart konsequent in den Morast einer Gesellschaft.

Graceland ist seit 18. November auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Graceland nimmt sich des schwierigen Themas Kinderprostitution an und zeigt in trostlosen, manchmal schmerzhaften Bilder die Schattenseite der Philippinen. Während der Film als Milieustudie großen Eindruck hinterlässt, ist der Thrillerteil eher schwach.
6
von 10