(„Dear Courtney“ directed by Rolf Roring, 2013)
Wenn es um die Frage geht, wer seine Traumfrau ist, da muss der 17-jährige Paul (Jonas Nay) nicht lange überlegen. Seit seiner Kindheit ist der Schüler in die zwei Jahre ältere Saskia (Sina Tkotsch) verknallt, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Als sein Onkel Heinz ihm erklärt, dass die holde Weiblichkeit am besten durch Musik erobert wird, lässt sich Paul das nicht zweimal sagen: Ob nun mit der Geige, an der Gitarre oder als Minnesänger, jeder Versuch ist ihm recht, einen Fuß ins Musikgeschäft zu bekommen und so endlich seine Angebetete für sich zu gewinnen. Das ist zwar nicht von Erfolg gekrönt, dafür muss er eines Tages erleben, wie ein von ihm geschriebenes Lied im Radio gespielt wird. Doch nicht er ist da zu hören, sondern eine Newcomerband namens Nirvana. Also setzt Paul alles dran zu beweisen, dass „Smells Like Teen Spirit“ eigentlich von ihm stammt, denn als Rockstar wäre er endlich am Ziel seiner Träume.
Mehr als zwanzig Jahre sind inzwischen seit dem Tod von Nirvana-Sänger Kurt Cobain vergangen, sein Überraschungshit „Smells Like Teen Spirit“ von 1991 ist längst zum Klassiker geworden. Zu hören bekommt man das Lied übrigens nicht, vermutlich hätten die Kosten die deutsche Low-Budget-Produktion schlicht überfordert. Das ist ein bisschen schade, zumal die Musik hier insgesamt ein wenig kurz kommt. Darüber gesprochen wird viel, bei der Jagd auf die vermeintlichen geistigen Diebe macht der Road Movie immer wieder Halt in Konzerthallen, gespielt und gesungen wird dafür umso weniger. Wer das musikalische Talent von Jonas Nay kennt, der unlängst mit seiner Band Northern Lights selbst sein Debüt veröffentlicht hat, darf da schon ein wenig enttäuscht sein.
Und doch wird Musikfans, allen voran Zeitzeugen Nirvanas, hier immer wieder das Herz übergehen. Ob es nun der Plattenladen von Pauls Onkel Heinz ist, die Plakate an den Wänden, die heruntergekommenen Locations der Konzerte, hier wird schon sehr an das Nostalgieempfinden der Zuschauer appelliert. Und das auch recht erfolgreich, Regisseur Rolf Roring schafft es sehr schön, die Atmosphäre der frühen 90er einzufangen, als man das neonfarbene Vorgängerjahrzehnt unter Dreck und Schmutz begraben wollte und das Visions-Magazin – welches sich hier ein bisschen selbst feiert – zum deutschen Sprachrohr des Alternative-Lagers wurde.
Ein bisschen Satire gibt es obendrauf, an einigen Stellen wird das Musikbusiness sowohl auf der Anzug- wie auch der Künstlerseite schön durch den Kakao gezogen. Davon hätte es gerne mehr geben können, denn so richtig oft wollen die Gags in Dear Courtney nicht zünden. Statt auf Wortwitz oder überraschende Situationskomik verlässt man sich zu oft auf tumben Humor oder Karikaturgestalten wie Saskias prolligen Exfreund Kalle (Oliver Bröcker) oder ihren aktuellen Beau Peter Punk (Klaas Heufer-Umlauf), dessen affektiertes Gehabe nur anfänglich amüsiert. Deutlich interessanter ist Pauls Zufallsbekanntschaft Tolle (Lore Richter), die aber nie wirklich ausgebaut wird.
Doch trotz dieser Schwächen, irgendwie mag man Dear Courtney dann doch. Das liegt weniger am Einfallsreichtum der Geschichte als vielmehr an deren Allgemeingültigkeit. Wer hat sich blind vor Liebe nicht schon mal für die Traumfrau oder den Traummann lächerlich gemacht, ist jahrelang einer Person hinterher gerannt, die eigentlich gar nicht so toll ist? Wenn die deutsche Musikkomödie eines schafft, dann ist es daran zu erinnern, wie schrecklich kompliziert das Gefühlsleben als Jugendlicher sein kann. Und mit diesem Coming-of-Age-Aspekt dürften sich viele identifizieren können, gleich ob man nun ein Niemand in einem kleinen Städtchen ist oder gerade einen Monsterhit geschrieben hat.
Dear Courtney ist seit 28. November auf DVD erhältlich
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