(„Les Fabuleuses Aventures du légendaire baron de Münchhausen“ directed by Jean Image, 1979)
Der legendäre Baron Münchhausen ist nicht nur Nachkomme vieler großer Persönlichkeiten und im Besitz beeindruckender Reichtümer, er ist auch ein überaus beliebter Gastgeber. Das liegt neben seiner gut bestückten Speisekammer und dem Weinkeller vor allem an seinem Redetalent, denn der Baron hat immer fabelhafte Geschichten zu erzählen. Als er wieder einmal damit beschäftigt ist, seine Freunde zu unterhalten, überbringt ihm ein Bote des Königs die Nachricht, er möge dem Pascha von Trukesban ein Geschenk vorbeibringen. Der Mann von Welt lässt sich da natürlich nicht zweimal bitten, trifft auf dem Weg dorthin die unglaublichsten Leute und erlebt fantastische Abenteuer.
Dass wir heute den Namen Münchhausen mit dem etwas großzügigen Umgang mit der Wahrheit verbinden, sogar ein eigenes Syndrom danach benannt wurde, ist auf den real existierenden Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen zurückzuführen, der im 18. Jahrhundert einige ungewöhnliche Geschichten zu erzählen hatte. Und diese müssen so inspirierend gewesen sein, dass dem Adligen später von Autoren über hundert solcher unglaublicher Abenteuer zugesprochen wurden. Inspiriert waren aber nicht nur Literaten, sondern auch Filmemacher. Als der ungarisch-französische Regisseur Jean Image 1979 daraus einen Animationsfilm machte, war er nicht der erste, denn da waren ihm unter anderem 1944 der deutsche Kollege Hans Held und 1961 der tschechische Trickspezialist Karel Zeman (Krabat) zuvorgekommen.
Doch auch die Version von Image fand ihre Anhänger, immer wieder war sie in deutschen Wohnzimmern zu sehen, 1984 folgte sogar eine Fortsetzung namens Münchhausens Abenteuer auf dem Mond. Während diese derzeit nicht erhältlich ist, wurde Teil eins unlängst auf DVD wiederveröffentlicht, was vor allem für Sammler ein Grund zur Freude ist. Aus heutiger Sicht ist der Zeichentrickfilm wie schon Aladin und die Wunderlampe vom selben Regisseur natürlich veraltet: Die Animationen sind recht grob, auch bei den Hintergründen mangelt es an Details. Immerhin sind die seltsam schrägen Perspektiven passé und optisch abwechslungsreich ist das Ganze auch – was daran liegt, dass hier im Minutentakt eine neue Geschichte erzählt wird.
Das ist dann auch ein wenig das Problem an Der tollkühne Lügenbaron: Man hat den Eindruck, Image wollte so viele Abenteuer wie möglich in einen Film packen, ohne darauf zu achten, wie diese zusammenpassen. So schön es ist, bekannte Geschichten wie die des Ritts auf der Kanonenkugel zu sehen, des achtbeinigen Hasen oder des Hirsches, auf dessen Kopf ein Kirschbaum wächst, so witzig-absurd einige von ihnen auch sind, sie sind derart kurz und hastig hintereinander angereiht, dass sie nie richtig ihre Wirkung entfalten können. Und auch Münchhausens Begleiter mit ihren skurrilen Spezialfähigkeiten kommen zu kurz. Für jene Kinder, die nur eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, mag der Non-Stop-Beschuss sogar ein Vorzug sein, der Rest wird aber einen roten Faden oder eine Dramaturgie vermissen. Allein das Abenteuer beim Pascha wird etwas ausgebaut, ansonsten verschaffen einem lediglich die gelegentlichen Lieder eine Verschnaufpause.
Die Musik ist dabei sogar noch eine der Stärken des Films, sieht man einmal von den nicht immer so glücklichen Singstimmen ab. Immer wieder wechselt der Soundtrack sein Genre, ist passend zum Geschehen mal höfisch, dann wieder orientalisch angehaucht. Besonders reizvoll ist übrigens die deutsche Sprachfassung, denn kein Geringerer als Harald Juhnke übernahm seinerzeit die Sprechrolle des Barons. Alleine dafür lohnt sich ein Blick (oder ein Ohr), und trotz der optischen wie inhaltlichen Mängel, Der tollkühne Lügenbaron bietet noch immer passable Unterhaltung, gerade für jüngere Zuschauer.
Der tollkühne Lügenbaron – Münchhausen und seine listigen Streiche ist seit 4. Dezember auf DVD erhältlich
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