(„Hannibal – Season 2“, directed by various, 2014)
Schlimmer hätte es für Will Graham (Hugh Dancy) wohl kaum laufen können: Abigail Hobbs ist tot, ihr Killer Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) ist auf freiem Fuß und alle Welt denkt dank der falschen Spuren, dass Will hinter den bestialischen Morden steckt. Nicht einmal seine einstigen Mitstreiter Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) und Special Agent Jack Crawford (Laurence Fishburne) glauben noch an seine Unschuld. Und so muss Will dem zivilisierten Kannibalen allein das Handwerk legen – was nicht so einfach ist, wenn man in einer Hochsicherheitszelle eingesperrt ist und jeder dich für verrückt hält.
Ein knappes Jahr mussten die Fans gespannt darauf warten, bis die zweite Staffel von Hannibal in unsere Läden kam und wir erfahren durften, wie es denn nun weiter geht mit dem wohl gestörtesten Zweiergespann, welches das Fernsehen gerade zu bieten hat. Und um die Spannung auch gleich auf hohem Niveau fortzuführen, beginnt die Thrillerserie mit einer ungewohnt actionreichen Szene, welche ein Ereignis vorwegnimmt, welches erst deutlich später passieren wird. Da Vinci’s Demons griff kürzlich auf einen ganz ähnlichen Kniff zurück. Und auch hier schleicht sich das Gefühl ein, man wollte auf diese Weise überspielen, dass hier anfangs kaum etwas passiert.
Hatte die erste Staffel teilweise das Problem, zu viele Ideen auf einmal unterbringen zu wollen und keine davon richtig auszuarbeiten, nimmt man sich dieses Mal deutlich mehr Zeit. Das ist einerseits löblich, gleichzeitig aber auch eine Verschlimmbesserung. Zwei Punkte waren es, welche die Faszination von Hannibal deutlich mitbestimmten: 1. ein Will Graham, der langsam dem Wahnsinn verfiel und Realität von seinen Halluzinationen nicht mehr unterscheiden konnte. 2. die vielen bizarren Fälle, die er zu lösen hatte. Für beide Punkte ist jetzt jedoch kaum mehr Platz. Will leidet noch immer an seinen Alpträumen, diese wiederholen sich jetzt jedoch zu sehr, ohne dass etwas entscheidend Neues passieren würde oder eine Entwicklung zu sehen wäre. Und während die Morde noch immer verstörend sind, wurde die Anzahl deutlich reduziert, manche sind nur eine kleine Randnotiz.
Stattdessen konzentriert sich Hannibal nun auf die Frage: Werden die Leute Lecter auf die Schliche kommen und ihn unschädlich machen? Und diese ist deutlich weniger interessant, schließlich ist bekannt, dass noch rund vier weitere Staffeln geplant sind. Wie die Antwort auf die Frage ausfallen wird, werden auch weniger fantasiebegabte Zuschauer rasch wissen. Gerade zu Beginn bleiben die großen Überraschungen daher aus, im direkten Vergleich schneiden die neuen Episoden erst einmal eher enttäuschend ab. Noch immer sind die Schauspielleistungen beeindruckend, die elegante Inszenierung und die unheimlich-verzerrte Musik suchen nach wie vor ihresgleichen. Äußerst gelungen, ja, aber eben nur die schwächere Version einer ungewöhnlichen Serie.
Doch im weiteren Verlauf der dreizehn neuen Folgen nimmt die Geschichte wieder deutlich Fahrt auf, beispielsweise durch die Einführung mehrerer Figuren – darunter den sadistischen Fleischwerksbesitzer Mason Verger (Michael Pitt) und den sozial gestörten Tierliebhaber Peter Bernardone (Jeremy Davies) – aber auch diverse unerwartete Wendungen. Und spätestens wenn sich zum furiosen Finale hin die Ereignisse vollkommen überschlagen, ist der enttäuschende Beginn wieder vergessen. An den letztjährigen Auftakt reicht Runde zwei von Bryan Fullers aktueller Serie zwar dennoch nicht ganz heran, für sich genommen ist aber auch die zweite Staffel sehr gut. Da sie zudem am Ende komplett offen lässt, wie es in Zukunft weiter geht, überhaupt weiter gehen kann, lässt das die Wartezeit auf Staffel 3 nicht unbedingt kürzer werden. Aber wer Hannibal anschauen möchte, der sollte ohnehin besser hart im Nehmen sein, denn in ihrer hypnotischen Grausamkeit geht die Serie oft an die Grenze dessen, was noch zumutbar ist. Und manchmal eben darüber hinaus.
Hannibal – Staffel 2 ist seit 4. Dezember auf DVD und Blu-ray erhältlich
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