(„Big Hero 6“ directed by Don Hall and Chris Williams, 2014)
Das Talent ist da, der Wille weniger: Hiro Hamada könnte der Welt viele großartige Technologien und Maschine schenken. Doch stattdessen treibt sich der brillante Junge lieber bei illegalen Roboter-Wettkämpfen herum, wo er mit seinen unscheinbaren Entwicklungen auch den größten Gegner mächtig eins auf die Schnauze gibt. Erst als sein älterer Bruder Tadashi – selbst ein talentierter Erfinder – ihn mit zu dessen Uni nimmt, entschließt er sich, etwas Konstruktiveres anzufangen. Doch als Hiro am Tag der Aufnahmeprüfung seine Nanoroboter präsentiert, kommt es kurz danach zur Katastrophe: Es bricht ein Feuer aus, in dem nicht nur Uniprofessor Callaghan, sondern auch Tadashi ums Leben kommen. Der am Boden zerstörte Hiro verliert jeden Lebensmut, bis er zufällig mit dem Roboter Baymax eine Halle entdeckt, in dem neue Nanoroboter hergestellt werden. Aber wie kann das sein, wenn alles in dem Feuer zerstört wurde? Und wer ist der Mann mit der Kabuki-Maske?
Die Animationsfilme von Disney sorgten in den letzten Jahren für volle Kinokassen, die Marvel-Abteilung des Mäuseimperiums schafft das sogar mehrfach pro Jahr – da war es nur eine Frage der Zeit, bis beide Sparten dann auch einmal zusammenfanden. Und so kam es, dass Disney nach einem Ausflug in die Videospielgeschichte (Ralph reichts) und der Adaption eines Märchens von Hans Christian Andersen (Die Eiskönigin) nun in den eigenen Archiven herumwildert, um nach Inspirationen zu suchen. Fündig wurden sie bei einer eher unbekannten Serie, die Ende der 90er ihren Anfang nahm. So unbekannt, dass Robert Baird keinen von ihnen je selbst gelesen hatte, als er das Drehbuch zu dem Film schrieb, Gemeinsamkeiten zwischen Comic und Verfilmung sind daher eher zufällig. In Deutschland versuchte man dann auch gar nicht erst, Fans der Vorlage anzusprechen, änderte den Titel von Big Hero 6 in Baymax – Riesiges Robowabohu, sämtliche Trailer stellten den knautschigen Robo in den Vordergrund.
Ein Wunder ist das nicht, denn auch wenn hier Werte wie Freundschaft und Teamgeist betont werden, neben Hiro und Baymax noch vier weitere Helden gegen den großen Unbekannten kämpfen, so sind die anderen Figuren doch austauschbares Beiwerk. Als Konzept sind sie witzig: Anders als bei den „großen“ Marvel-Abenteuern gehen hier keine muskelbepackten Hünen auf Verbrecherjagd, sondern eine Gruppe von Nerds. Wenn sie mit Gummikugeln, albernen Monsterkostümen oder Hochgeschwindigkeits-Rollerblades ihre Gegner bekämpfen, bleibt kein Auge trocken, teilweise wirkt der Film eher wie eine Superheldenparodie à la Samurai Flamenco. Doch hinter dem kuriosen Äußeren wartet nicht viel, den Figuren fehlt es schlicht an Persönlichkeit.
Das ist bei einem mechanischen Marshmallow-Roboter natürlich anders: gutmütig, langsam, etwas tollpatschig – wenn Baymax durch die Gegend torkelt, schreiben sich die Gags quasi von selbst, der Sidekick wird so zum eigentlichen Star. Sehr viel mehr wollte man hier dann auch gar nicht, die Geschichte ist vorhersehbar, manchmal auch ein wenig langweilig, es gibt die zu erwartenden rührenden Momente, um zwischendurch noch das ein oder andere Tränchen herauszupressen. Das Ergebnis mag man warmherzig nennen, schließlich handelt der Film eben auch davon, nach einem großen Verlust Trost bei anderen zu finden. Ambitioniert sicher nicht.
Dafür durften immerhin die Designer hier ihr ganzes Können zeigen. Neben der brillanten Umgestaltung von Baymax sticht besonders die Stadt hervor. San Fransokyo heißt sie und ist wie der Name schon verrät eine Mischung aus San Francisco und Tokyo, nimmt die steilen Straßen und Brücken der ersten und verbindet sie mit Elementen der japanischen Metropole. Das Ergebnis ist atemberaubend, die Animationen ebenso. Das ließ man sich auch einiges kosten, mit einem Budget von 165 Millionen Dollar steht die Computervariante den Echtfilmen aus dem Marvel-Kosmos in nichts nach.
Crossover gibt es übrigens keine, aber auch hier heißt es, nicht zu früh den Kinosaal verlassen, um alle Szenen zu sehen. Wer Marvel’s The Avengers, Guardians of the Galaxy und Co. mag, darf hier ruhig übrigens gern einmal vorbeischauen, denn das Gemeinschaftswerk der Regisseure Don Hall (Winnie Puuh) und Chris Williams (Bolt – Ein Hund für alle Fälle) ist ein ebenso humorvolles Actionspektakel wie die Vorbilder, nur eben etwas kindgerechter. Und ein heißer Anwärter auf den Oscar als bester Animationsfilm des Jahres, nachdem der große Favorit Lego Movie überraschend bei den Nominierungen fehlte.
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