(„De Behandeling“ directed by Hans Herbots, 2014)
Wer wie Nick Cafmeyer (Geert Van Rampelberg) bei der Polizei arbeitet, der erlebt zwangsweise immer wieder Fälle, die einen nie wieder loslassen. Doch es ist vor allem einer, der dem Inspektor bis heute schwer zusetzt: das Verschwinden seines Bruders. Was mit dem Jungen damals genau geschah, konnte nie geklärt, dem dringend tatverdächtigen Nachbarn Ivan Plettinckx (Johan van Assche) nie etwas nachgewiesen werden. Als Nick von einem erneuten Sexual- und Gewaltverbrechen an einem Jungen erfährt, setzt er alles daran, den Täter dieses Mal ausfindig zu machen, bis die Grenzen zwischen beiden Fällen allmählich verschwinden.
Wo ein Buchbestseller, da auch ein Film – dass bei einem erfolgreichen Roman versucht wird, auch bei den weniger leseaffinen Menschen Kasse zu machen, ist verständlich, gerade im Thrillergenre greifen amerikanische wie auch europäische Filmstudios gerne mal auf bewährte literarische Vorlagen zurück. Während in den letzten Jahren vor allem skandinavische Autoren wie Stieg Larsson (Verblendung), Lars Kepler (Der Hypnotiseur) oder Jussi Adler-Olsen (Erbarmen) im Mittelpunkt standen, wurde die englische Kollegin Mo Hayder aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen bis heute ignoriert. Umso kurioser, dass die erste Verfilmung weder aus ihrem Heimatland stammt, noch den USA, sondern aus dem thrillertechnisch eher unbekannten Belgien und hierzulande auch erst gar nicht den Weg in die Kinos fand.
Das dürfte jedoch weniger auf die Qualität zurückzuführen sein, sondern auf das nicht nur für Belgien heikle Thema der Pädophilie. Tatsächlich mutet Die Behandlung dem Zuschauer so einiges zu. Explizit gezeigt wird hier natürlich keins der Verbrechen, Zweifel, was da abseits der Kamera passiert, gibt es jedoch ebenso wenig. Gerade zum Ende hin, wenn die Geschichte eine neue, unfassbar bösartige Richtung einschlägt, werden die Grenzen der eigenen Schmerzfähigkeit stark ausgereizt, bei dem einen oder anderen sicherlich auch überschritten. Lichtblicke? Die gibt es kaum. Nick ist intelligent, attraktiv, sicher auch ein Sympathieträger, emotional jedoch eindeutig angeknackst und nicht immer Herr der Lage. Drum herum tummeln sich größtenteils Figuren, die es aus welchen Gründen auch immer auf die Verliererstraße geführt hat, Verbrecher sind, manchmal auch nur Opfer der Umstände.
Die Unterscheidung, wer zu welcher Gruppe gehört, ist hier auch nicht immer ganz einfach, der Weg dorthin durchaus spannend. Mit immer neuen falschen Fährten streut Die Behandlung geschickt Sand in die Augen, bis zum Schluss bleibt unklar, was hier eigentlich gespielt wird – teilweise jedoch auch über den Schluss hinaus. Nicht alles wird im Lauf der gut zwei Stunden wirklich erklärt, diverse Fragen bleiben auch nach dem Abspann noch offen. Das ist ebenso ärgerlich wie das nicht immer nachzuvollziehende Verhalten der Charaktere und diverse Gedankensprünge, die einen als Zuschauer etwas vernachlässigt zurücklassen. Thrillerfreunde sind dies jedoch tendenziell gewohnt und sollten sich daher davon auch nicht abhalten lassen. Über die Perfidie des Verbrechens hinaus gibt es zwar nur wenig, was Die Behandlung von vergleichbaren Genrevertretern unterscheidet, kompetent umgesetzt wurde der düstere Stoff von Regisseur Hans Herbots aber zweifelsfrei. So kompetent, dass der ersten Hayder-Verfilmung hoffentlich noch weitere folgen werden.
Die Behandlung ist seit 2. Januar auf DVD und Blu-ray erhältlich
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