(„Arvingerne“ directed by Pernilla August, Louise Friedberg, Heidi Maria Faisst, 2014)
Einfach? Nein, das war Veronika Grønnegaard (Kirsten Olesen) noch nie gewesen. Während sie als Künstlerin international hohe Anerkennung genoss, war ihr Privatleben schon immer von Chaos und Tragödien geprägt gewesen. Lediglich ihre Tochter Gro (Trine Dyrholm) war um ein engeres Verhältnis bemüht, unterstützte sie bei ihren Plänen, eine Kunststiftung ins Leben zu rufen. Sohn Emil (Mikkel Boe Følsgaard) war immerhin da, wenn es darum ging die Hand aufzuhalten, dessen Bruder Frederik (Carsten Bjørnlund) wollte nicht einmal das, war er doch seit Jahren mit ihr verfeindet. Als Veronika plötzlich stirbt und das wertvolle Familienhaus ihrer unehelichen Tochter Signe Larsen (Marie Bach Hansen) hinterlässt, ist das für alle ein Schock – Signe inklusive, die bis dahin nicht wusste, dass die berühmte Frau ihre Mutter war. Die anderen Halbgeschwister wollen dem aber nicht tatenlos zusehen, ein verbissener Kampf ums Erde beginnt.
60 Prozent Markanteil, das will erstmal geschafft werden. Was hierzulande maximal alteingesessenen Samstagabendshows oder Sportgroßereignissen gelang, schaffte man in Dänemark mit einer herkömmlichen Serie. Und das obwohl Die Erbschaft weder auf einer bekannten Vorlage basierte, noch mit den üblichen Exportschlagern wie den Makkelsen-Brüdern, Sonja Richter oder Nikolaj Lie Kaas protzen konnte. Dafür waren hinter der Kamera einige alte Hasen am Werk, wirbt das Cover doch groß damit, dass die Serie von den Machern von Kommissarin Lund und Borgen stammt. Und wer diese kennt, weiß, dass das ein gutes Vorzeichen ist.
Tatsächlich ist auch Die Erbschaft eine überaus spannende TV-Produktion geworden, obwohl die Rahmenbedingungen deutlich bescheidener ausfallen. An Stelle verwickelter krimineller Machenschaften oder großer politischer Intrigen dreht sich hier fast alles um die vier Geschwister, ihre Beziehung untereinander sowie das nähere Umfeld. Dass das an und für sich unspektakuläre Thema erst gar nicht in die Nähe von Langeweile gerät, dafür sorgen die zahlreichen dunklen Geheimnisse und Traumata, die sämtliche Protagonisten mit sich herumschleppen. Unter der Oberfläche brodelt es, nach und nach werden wie in Das Fest tiefere Schichten und ungeahnte Abgründe freigelegt.
Dabei meinten es die Drehbuchautoren jedoch ein wenig zu gut – oder schlecht – mit diesen Wendungen. Ob es nun Ehebruch ist, uneheliche Kinder, Erpressung, Meineid, Fälscherei oder diverse andere kriminellen Akte, bei Die Erbschaft wird wirklich nichts ausgelassen, was die Nerven der Zuschauer kitzeln könnte. Während das gerade zu Beginn sehr gut funktioniert, man tatsächlich mitfiebert, um mehr über die Grønnegaards zu erfahren, wird es mit der Zeit einfach übertrieben: Wenn hier teils im Minutentakt hässliche Geschichten auf den Tisch gebracht werden, dann leidet irgendwann die Glaubwürdigkeit beträchtlich, das stimmungsvolle Familienporträt droht, in seichte Soap-Opera-Gefilde abzudriften. Dass hier außerdem etwas zu sehr auf den Zufall vertraut wurde, die Protagonisten natürlich immer im richtigen Moment am richtigen Ort sind, wenn es darum geht, unangenehme Entdeckungen zu machen – hilfreich ist das nicht.
Das ist vor allem deshalb etwas schade, weil sowohl Figuren wie deren Darsteller stark genug für eine „normale“ Geschichte gewesen wären. Überaus präzise wurden hier die einzelnen Protagonisten herausgearbeitet, mit ihren kleinen Spleens und Eigenschaften. Schön ist auch die sich ständig verschiebende Gruppendynamik, nichts ist in Stein gemeißelt, jeder darf starke und schwache Momente haben, man verbündet sich in dem einen Moment, nur um im nächsten wieder Gegner zu sein – wie es in krisengeschüttelten Familien nun mal zuweilen zugeht. Auch wenn es der Serie manchmal gut getan hätte, einen Gang zurück zu schalten, gehört Die Erbschaft so neben The Returned zu den stärksten TV-Serien, die in der letzten Zeit in Kontinentaleuropa entstanden. Schön daher, dass die Fortsetzung der düsteren Familiensaga bereits in Arbeit ist.
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