(„En duva satt på en gren och funderade på tillvaron“ directed by Roy Andersson, 2014)
Vampirzähne, ein Lachsack, eine Monstermaske – so lautet der kümmerliche Inhalt des Koffers, mit dem die beiden Scherzartikelverkäufer Sam (Nils Westblom) und Jonathan (Holger Andersson) hausieren gehen. Kümmerlich ist aber auch die Ausbeute, kaum einer ist an ihren Produkten interessiert, die Geschäfte laufen schlecht. Bei ihren Versuchen, neue Kunden zu gewinnen, geraten sie nicht nur regelmäßig aneinander, sie begegnen unterwegs auch lauter Menschen, deren Leben nicht weniger skurril ist als ihr eigenes.
Zwei Sätze sind es, die in Eine Taube sitzt auf einem Zweig immer wieder auftauchen: „Wir wollen den Menschen helfen, Spaß zu haben“ lautet der erste, „Es freut mich zu hören, dass es euch gut geht“ der zweite. Beide stehen stellvertretend für die europäische Koproduktion, und sind doch jeweils im höchsten Maße ironisch. Spaß? Den haben Sam und Jonathan schon lange nicht mehr. Griesgrämig und desillusioniert trotten sie durch eine Welt voller Grau, in der Freude nur noch Teil des Kommerzes ist. Und so richtig gut geht es auch den anderen nicht, mit drei Sterbeszenen beginnt der Film, Enttäuschungen, Erniedrigung, sogar Massenmord folgen in den nächsten 100 Minuten.
Die beiden Sätze und das traurige Protagonistenduo sind dann auch die Klammer, die den Film zusammenhält. Aus 39 Einzelszenen besteht Eine Taube sitzt auf einem Zweig, einige davon stehen in einem Zusammenhang, viele aber auch nicht. Da wird die Odyssee der unglücklichen Vertreter etwa von einer Szene am Strand unterbrochen, in der ein junges Paar einen Moment der Intimität genießt. Keinen der beiden werden wir später wiedersehen, die Episode wird inhaltlich nie wieder aufgegriffen. Also alles willkürlich? Ja und nein.
Was vielen der Szenen gemein ist, ist ein feines Gespür für Absurdität. Der schwedische Regisseur und Drehbuchautor Roy Andersson wirft einen Blick auf den Alltag und muss dort auch gar nicht viel ändern, um dem Leben grandios komische Szenen abzugewinnen. Ob in einer Kneipe gesungen wird, ein geistig behindertes Mädchen von den Geldsorgen einer Taube spricht oder der schwedische König dringend auf Toilette muss, in der ersten Hälfte wimmelt es von brillanten Sketchen, die einen ungläubig und begeistert zurücklassen.
Doch als hätte Andersson sein Pulver schon zu früh verschossen, folgt im weiteren Verlauf kaum mehr etwas, das es mit den Anfangsmomenten aufnehmen könnte. Einen späten Höhepunkt gibt es, ansonsten verfällt Eine Taube sitzt auf einem Zweig zunehmend der Monotonie. Ähnlich wie in „Warten auf Godot“, ein erklärtes Lieblingsstück des Schweden, warten hier Protagonisten und Zuschauer gleichermaßen darauf, dass etwas passiert. Ohne Erfolg. Mit dem Kopf auf dem Tisch, das Lied fast zu Ende, scheint die Erlösung immer nur einen Moment entfernt zu sein, bevor der Alltag dann doch wieder von vorne beginnt.
Dass Andersson sich eher selten im Langfilmbereich aufhält, merkt man: In kleinen Dosen, etwa als einzelne Kurzfilme, vieles hier wäre großartig gewesen. Doch für einen ausgewachsenen Film fehlt es an der notwendigen Dramaturgie. Dennoch sollten sich Freunde des Ungewöhnlichen dieses sonderbare Kleinod nicht entgehen lassen, das sich so konsequent den üblichen Spielregeln verweigert. Selbst optisch geht Eine Taube sitzt auf einem Zweig einen eigenen Weg: Ähnlich wie Kreuzweg arbeitet Andersson mit starren Blickwinkeln, die sich während der Szene nicht ändern. Die Maler Otto Dix und Georg Scholz sollen ihn bei der Umsetzung seines Stoffes inspiriert haben, tatsächlich erinnern die Einstellungen auch an Gemälde. Oft lohnt sich hier deshalb ein zweiter Blick: Während die Scherzartikelvertreter oder die anderen Gelegenheitsprotagonisten die Aufmerksamkeit an sich reißen, erzählen die Menschen in der zweiten Reihe, Details am Rande und im Hintergrund manchmal die interessanteren Geschichten. So wie im wahren Leben auch.
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