Familienfieber
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Familienfieber

(„Familienfieber“ directed by Nico Sommer, 2014)

Familienfieber
„Familienfieber“ läuft seit 15. Januar im Kino

Es hätte ein so schöner Abend werden sollen, der Anlass dafür war zumindest da: Die beiden Jugendlichen Alina (Anais Urban) und Nico (Jan Amazigh Sid) sind glücklich liiert und überreden ihre jeweiligen Eltern zu einem großen Familientreffen. Der erste Schock erwartet Alinas Eltern Maja (Kathrin Waligura) und Uwe (Peter Trabner) schon bei der Ankunft, als sie feststellen, dass Birgit (Deborah Kaufmann) und Stefan Ohnsorg (Jörg Witte) in einem Schloss wohnen. Die Roths hingegen leben nicht gerade in Saus und Braus, nach längerer Arbeitslosigkeit arbeitet Uwe nun als Plakatankleber. Doch das richtig Unangenehme kommt erst noch, denn Maja und Stefan haben seit Längerem eine Affäre, ohne zu ahnen, wer der andere wirklich war.

Manchmal kann man schon daran verzweifeln, wenn man sich Filme im Kino anschaut: Nicht nur dass die Menschen da auf der Leinwand viel besser aussehen als man selbst, ihnen gelingt auch irgendwo alles, und dann sprechen auch noch in Dialogen, die so geschliffen und scharfsinnig sind, dass man sich unweigerlich fragt, ob bei der eigenen Schullaufbahn nicht etwas völlig schief gelaufen ist. Nico Sommer scheint damit ebenfalls so seine Probleme zu haben. Wie sein Kollege Jakob Lass (Love Steaks) oder andere Vertreter der deutschen Mumblecore-Szene lehnt der Regisseur und Drehbuchautor die vorherrschende Künstlichkeit ab, setzt lieber auf ungeschönte Bilder und viel, viel Improvisation.

Vier Seiten Manuskript, sieben Drehtage und ein minimales Budget lauten dann auch die Rahmenbedingungen von Familienfieber. Wer bislang nicht mit den immer populärer werden Improvisationsfilmen in Berührung gekommen ist, wird sich natürlich fragen: Kann das gut gehen? Ja, kann es. Muss aber nicht. Die Stärken dieser Herangehensweise zeigen sich in dem Film vor allem in der charmanten und witzigen ersten Hälfte. Wie in Sommers letzten Film Silvi müssen auch hier die Schauspieler Mut zur Hässlichkeit mitbringen, werden auf dem Klo gefilmt oder in unvorteilhaften Unterhemden. Hübsch ist das nicht, aber eben doch viel näher an dem Alltag, als wir es meistens auf der Leinwand sehen dürfen.

Und auch bei den Dialogen entwickelt Familienfieber seinen ganz eigenen Reiz. Wenn Menschen plötzlich mit der Aufgabe betraut sind, einfach frei heraus zu reden, wird es zwangsweise holprig. Sätze werden mittendrin abgebrochen, finden den Weg nicht mehr, bestehen aus Belanglosigkeiten oder enden zuweilen auch schon mal in einem verlegenen Lachen – so wie es einem im wahren Leben nun mal auch passiert. Diese gesteigerte Authentizität mag sicher nicht jedermanns Sache sein und würde auf Dauer vielleicht auch anstrengend werden, als Beigabe zu den glattgeleckten Streifen des Mainstreamkinos sind die unspektakulären Alltagsauseinandersetzungen aber eine willkommene Auszeit.

Schwierig ist jedoch, dass auch die Geschichte selbst der vorgegebenen Richtungslosigkeit folgen muss. Bei Silvi fiel das nicht übermäßig ins Gewicht, denn die späte Suche nach der Liebe war von vornherein episodenhaft angelegt, der fehlende rote Faden also ein nachvollziehbarer Teil des Konzepts. Bei Familienfieber ist das weniger geglückt, nach einer Weile plätschert die Tragikomödie vor sich hin, ohne dass etwas Entscheidendes passiert, trotz der kurzen Laufzeit von 78 Minuten fehlt insgesamt einfach der Inhalt und der dramaturgische Halt. Für Abwechslung sollen die vereinzelten Interviewfetzen der Protagonisten sorgen. Wirklich überzeugend ist dieses Stilmittel – was ebenfalls schon in Sommers letztem Film Verwendung fand – aber nicht. Zwar erfahren wir später einen halbwegs plausiblen Grund, warum die Figuren in eine Kamera sprechen, trotzdem stechen diese Szenen in einem ansonsten auf Natürlichkeit bedachten Film unnötig hervor.



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Viel Improvisation, wenig Handlung oder Struktur – „Familienfieber“ ist das neueste Werk der deutschen Mumblecore-Szene. Wer deren sonstige Filme schätzt, findet hier die üblichen Tugenden in Form von glaubwürdigen Dialogen und Alltagsmomenten sowie einer insgesamt gesteigerten Authentizität. Diese wird durch die unnötigen Interviewszenen aber wieder gemindert, zudem plätschert die Tragikomödie nach einer witzigen und charmanten ersten Hälfte später etwas vor sich hin.
6
von 10