(„Fritz the Cat“ directed by Ralph Bakshi, 1972)
Ein neues Jahr beginnt, und auch unser fortlaufendes Animationsspecial geht in die nächste Runde. In Teil 35 reisen wir dafür über 40 Jahre zurück in die Vergangenheit und werfen dabei einen Blick auf einen Film, der zumindest in den USA unwiderruflich in Frage stellte, was Zeichentrick sein kann und darf.
Bücher lesen? Klausuren schreiben? Nein, daran hat Fritz kein besonders großes Interesse. An der Studentenbewegung dafür schon, vor allem die Sache mit der sexuellen Revolution hat es dem Kater sehr angetan. Und so kann es durchaus mal vorkommen, dass er sich gleich drei Miezen auf einmal mit in die Bude nimmt und eine kleine von Drogen gestützte Orgie mit ihnen veranstaltet. Dass er hierbei mit der Polizei in einen Konflikt gerät, stört ihn nicht weiter. Im Gegenteil: Nun dreht Fritz erst richtig auf, verbrennt seine Bücher und schließt sich mehreren äußerst gewaltbereiten Zeitgenossen an.
Zeichentrick und Sex, geht das überhaupt? Auf keinen Fall, meinten die amerikanischen Studios Anfang der 70er, als Ralph Bakshi mit seiner Idee für Fritz the Cat hausieren ging. In Japan war man da schon ein wenig weiter gewesen: Tausendundeine Nacht und Cleopatra und die tollen Römer vom Mangagott Osamu Tezuka – die zusammen mit Belladonna die sogenannte Animerama-Reihe bildeten – geizten schon einige Jahre zuvor nicht mit der Darstellung nackter Tatsachen. Da diese im Westen jedoch nur wenig Aufmerksamkeit erlangten, durfte sich die immens erfolgreiche Odyssee des notgeilen Katers auf die Fahne schreiben, der erste Zeichentrickfilm für Erwachsene zu sein und das gefürchtete X-Rating erhalten zu haben.
Erwachsen ist dabei jedoch vor allem die überraschend explizite Darstellung von Geschlechtsteilen und die gelegentlichen Gewaltexzesse, inhaltlich ist Fritz the Cat deutlich weniger interessant. Meistens begnügt sich der Film mit obszönen Witzen, die damals vielleicht noch schockiert haben, in ihrer pubertären Primitivität aber den billigen Sexfilmchen der 70er in nichts nachstehen und heute nicht mehr als ein Schulterzucken provozieren. Während der müde Humor den Zahn der Zeit nicht unbeschadet überstanden hat, brilliert Bakshis Regiedebüt durch seine vielen satirischen Elemente. Ob es die Bewegung der Linke ist, die Rassenfrage, selbst Disney – sie alle werden hier verspottet. Wenn der Polizist ausgerechnet von einem jüdischen Schwein dargestellt wird, Krähen für Schwarze stehen oder die drei Sexgespielinnen von Fritz die oftmals oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Kampf für Gleichstellung verdeutlichen, dann beeindruckt der Mut und die Respektlosigkeit noch heute.
Robert Crumb, auf dessen Untergrund-Comic „Fritz the Cat“ basiert, war jedoch weniger davon angetan. Vor allem die deutliche Politisierung zum Ende des Films stieß ihm so sauer auf, dass er anschließend weder mit Bakshi noch mit dem Film etwas zu tun haben wollte. Aber auch der Regisseur selbst hatte schnell genug von den Eskapaden seines tierischen Antihelden: Trotz der hohen Einspielergebnisse verzichtete er darauf, die Fortsetzung Die neun Leben von Fritz the Cat zu inszenieren und arbeitete lieber erst einmal an seinem Herzensprojekt Starker Verkehr, da er der Ansicht war, Tiere als Protagonisten wären eine zu große Einschränkung.
Ob es nun der Wechsel zu menschlichen Figuren war oder die Loslösung von einer konkreten Vorlage, tatsächlich sind Bakshis spätere Filme empfehlenswerter. Coonskin etwa mag im Vergleich deutlich weniger bekannt sein, setzte die Elemente Sex, Gewalt und Satire aber stimmiger zusammen. Und auch optisch hat der spätere Titel mit seiner Mischung aus Zeichentrick und Realaufnahmen dem Debüt einiges voraus. Sonderlich schwierig ist das aber auch nicht, denn wirklich ansehnlich ist Fritz the Cat nie gewesen. Während die Hintergründe, welche sich an realen Stadtaufnahmen orientieren, durchaus stimmungsvoll sind, lässt sich das von den eigentlichen Zeichnungen kaum behaupten: Vieles hier ist schief, es gibt kaum Farben, und wenn doch, dann fransen sie an den Rändern aus. Dass der Film ohne großes Studio und unter schwierigen Verhältnissen entstand, sieht man ihm durchweg an.
Doch trotz der bescheidenen Bilder und der notdürftigen Handlung – Bakshi versucht nicht einmal, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen – sind die Abenteuer des ordinären Katers aufgrund ihrer rohen Wildheit nicht ohne Reiz. Und allein wegen seiner historischen Bedeutung sollte jeder Animationsfan Fritz the Cat zumindest einmal gesehen haben. Denn auch wenn Bakshi heute keine große Rolle mehr spielt, für sein aktuelles Projekt Last Days of Coney Island sogar auf Crowdfunding zurückgreifen muss, sein Einfluss ist noch immer zu spüren: Ob es nun spätere Regisseure von „erwachsenen“ Zeichentrickfilmen wie Picha und Bill Plympton waren oder auch Serien à la South Park und Family Guy, ohne den unflätigen Fritz wäre vieles davon nicht möglich gewesen.
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