(„Catch Hell“ directed by Ryan Phillippe, 2014)
Was ist nur mit meiner Karriere geschehen? Diese Frage schwirrt Reagan Pearce (Ryan Philippe) immer mal wieder durch den Kopf. Einst Darsteller in einer erfolgreichen Serie, dazu noch mit einem Oscar ausgezeichnet, werden die Rollen immer spärlicher und auch schwächer. Ein neuer Film soll den Beau wieder auf die Erfolgsstraße zurückführen, aber der Preis dafür ist hoch: Drehort ist eine Kleinstadt mit aufdringlichen Fans, die Filmcrew besteht aus Idioten und Spinnern. Doch der eigentliche Alptraum beginnt, als er am nächsten Tag von zwei angeblichen Mitarbeitern (Tig Notaro, Joyful Drake) entführt und in eine abgelegene Hütte gebracht wird. Denn lebend, so viel stellen die beiden Unbekannten früh klar, kommt Reagan hier nicht mehr heraus.
So ziemlich jeder Schauspieler dürfte irgendwann mit dem Gedanken gespielt haben, sich Rollen nicht mehr vorschreiben zu lassen, sondern auch auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Warum auch nicht? Dass man damit Erfolge und Auszeichnungen einheimsen kann, haben genügend Kollegen bereits gezeigt. Außerdem erlaubt einem der Positionwechsel – gesetzt den Fall, man übernimmt wie viele gleich auch noch die Hauptrolle – zu zeigen, dass noch ganz andere Talente in einem schlummern, man sehr viel mehr ausdrücken und zu erzählen hat, als es einem andere zutrauen.
Ob es Ryan Phillippe, der sich seinerzeit durch Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast und Eiskalte Engel in die Herzen zahlloser Teenies spielte, bei seinem Regiedebüt Kidnapped tatsächlich um künstlerische Gestaltungsfreiheit ging, darf jedoch bezweifelt werden. Ein bisschen drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass er seiner zwischenzeitlich selbst erlahmten Karriere entgegenwirken wollte. Sympathisch ist es daher schon, wenn er ausgerechnet einen Schauspieler spielt, dessen beste Zeit hinter ihm liegt. Zudem zeigt der ewig Junggebliebene auch Mut zur Hässlichkeit. Ein bisschen zumindest. Während sein Körper im Zuge der Folter deutlich weniger attraktive Spuren zeigt, ist die Figur des Reagans selbst als zu glatter Sympathieträger angelegt, so wie auch die beiden anderen Charaktere kaum Profil zeigen.
Überhaupt war Phillippe, der auch an dem Drehbuch mitschrieb, recht genügsam, was den Inhalt anging. Die Foltermethoden, die Dialoge, die Fluchtversuche – da gibt es nichts, was Kidnapped von vielen ähnlich gelagerten Filmen unterscheidet. Und wenn doch mal eigenständige Ideen ihren Weg in den Thriller finden, ist das Ergebnis oft zwiespältig. Bei einer Geschichte über einen Schauspieler Kritik an Medien und Fankult einzubauen, ist irgendwo naheliegend, ist hier aber zu zahm und findet sich mit der Haupthandlung der Entführung auch nur notdürftig zusammen. Bei einer späteren Auseinandersetzung von Reagan und seinem Wärter wird es äußerst kurios, bei der finalen Schlussszene sogar lächerlich. Ist das ernst gemeint oder Comic Relief? Sicher kann man sich hier nie sein.
Deutlich besser sehen die Bemühungen aus, aus dem beschränkten Setting – fast der gesamte Film spielt in der Hütte – das Beste herauszuholen. Hin und wieder schlüpfen wir à la Alexandre Ajas Maniac in die Egoperspektive, die Sicht verschwimmt gemäß Reagans Zustand, es gibt nette Kamerafahrten. All das reicht aber nicht aus, um aus Kidnapped einen tatsächlich guten Film zu machen, da war das thematisch ähnliche 3 Minutes kürzlich doch die spannendere Alternative. Fans von Phillippe dürfen reinschauen, denn zu sehen gibt es von ihm einiges. Der Rest hofft darauf, dass er bei einer eventuellen zweiten Regiearbeit mehr Wert auf Stimmigkeit setzt und eine eigene Handschrift entwickelt, um so nicht nur von seinem Namen abhängig zu sein.
(Anzeige)