(„Majo no takkyûbin“ directed by Takashi Shimizu, 2014)
Eine Tradition besagt, dass jede Hexe als Jugendliche für ein Jahr ihre Familie verlassen muss, um an einem anderen Ort ihre Fähigkeiten zu trainieren. Nur wenn sie es schafft, dieses eine Jahr ohne fremde Hilfe zu überstehen, darf sie ihre Ausbildung fortsetzen. Und so macht sich die 13-jährige Kiki (Fuka Koshiba) eines Tages zusammen mit ihrer schwarzen Katze Jiji auf die Suche nach einer Stadt, wo noch keine Hexe lebt. Dabei hat sie auch Erfolg, muss aber feststellen, dass die Einwohner ihr skeptisch, teilweise sogar feindselig gegenüberstehen. Doch die Bäckersfrau Osono (Machiko Ono) hält zu ihr, gibt ihr einen Platz zum Schlafen und hilft dem Mädchen auch, ihren Traum zu erfüllen: ein eigener kleiner Lieferservice.
Nicht nur die Einwohner der Stadt, auch so mancher Animefan dürfte der kleinen Kiki gegenüber großes Misstrauen gezeigt haben. Schließlich wurde die Geschichte schon einmal verfilmt, die Zeichentrickfassung von Studio-Ghibli-Altmeister Hayao Miyazaki aus dem Jahr 1989 gehört mit Recht zu den Klassikern seines Genres. Braucht es da wirklich noch eine Realfilmvariante? Offensichtlich, meinte man in Japan. Und tatsächlich hat die Idee ja auch etwas für sich: Hatte Miyazaki seinerzeit nur den ersten Band der Romanreihe von Eiko Kadono zur Verfügung, entstanden nach dem Erfolg des Films diverse weitere Bücher, die zum Teil die Grundlage der Neuverfilmung bilden.
Dementsprechend müssen sich Anhänger der ersten Fassung etwas umstellen: Hauptfigur und das Grundszenario sind gleich geblieben, bei der Geschichte selbst gibt es teilweise erhebliche Unterschiede. Das muss nun nicht zwangsweise ein Nachteil sein, schließlich dürften sich so einige gewünscht haben, noch mehr Abenteuer der kleinen Hexe erleben zu können. Doch leider lassen sie den simplen Charme des Vorbilds vermissen, zu oft wurde hier unnötig das Drama intensiviert, manchmal auf eine etwas kitschige Art und Weise. Auch der Fokus hat sich verschoben. Spielten 1989 noch die ersten romantischen Gefühle zum Jungen Tombo (Ryohei Hirota) eine große Rolle, ist der hier nur eine Randfigur, ein eifersüchtiger Widersacher, der Kiki das Leben schwer macht. Dafür sind eben diese Anfeindungen hier der Antrieb der Geschichte, das Mädchen muss einen Weg finden, mit der Ablehnung zu leben. Und mit sich selbst.
Ist die zuweilen etwas dick aufgetragene Geschichte angesichts der guten Absicht noch zu entschuldigen, gilt das nicht für die Optik. Während man der Animefassung dank ihrer flüssigen Bewegungen und der liebevoll und detailreich designten Stadt das Alter kaum ansieht, wurde hier oft auf den Computer vertraut – mit fürchterlichen Ergebnissen. Schon die CGI-Variante von Jiji lässt einem das Herz bluten, aber auch andere berechnete Tiere und Ausflüge auf dem Besen sind im Jahr 2015 in der Form einfach nicht mehr zeitgemäß. Durch diese billigen Effekte verspielt die Romanverfilmung viel Sympathie, auch der Szenerie fehlt es irgendwie an Charakter.
Beim direkten Vergleich mit seinem berühmten Kollegen zieht der ansonsten für Horrorfilme bekannte Regisseur Takashi Shimizu (Ju-On, Flug 7500) daher eindeutig den Kürzeren. Dabei ist der Film für sich genommen durchaus nett, gerade das jüngere Publikum sollte sich gut in Kiki und ihre Schwierigkeiten hineinversetzen können, und dazu noch ein bisschen vom Fliegen träumen. Wem es also gar nicht so sehr darauf ankommt, einen gleichwertigen Ersatz zu bekommen, sondern „nur“ einen ansprechenden Film für den Nachwuchs zu finden, der darf auch mit der realen Version der kleinen Hexe liebäugeln.
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