Speed Grapher
© 2005 GONZO/TAP

(„Speed Grapher“ directed by Kunihisa Sugishima, 2005)

Speed GrapherAnerkennung, Ruhm, Ehre: Mit seinen ungeschönten, drastischen Fotografien aus Kriegsgebieten machte sich Tatsumi Saiga einen Namen, seine Bilder wurden in den renommiertesten Magazinen abgedruckt. Doch das ist nichts im Vergleich zu der Story, die er gerade verfolgt: Die Elite Japans trifft sich heimlich in einem privaten Club, in dem jeder seine persönlichen sexuellen Vorlieben ausleben kann. Regeln gibt es keine, Moral sowieso nicht, hier kann alles mit Geld gekauft werden. Als er deren neuerwählte Göttin – die junge Tänzerin Kagura – ablichten und publik machen will, fordern die anderen Mitglieder seinen Tod. Doch Kagura küsst den Eindringling, woraufhin er die Macht erhält, mit seiner Kamera jeden zu töten, der ihm vor die Linse läuft.

Journalisten, die geheimen Verschwörungen auf der Spur sind, das ist im Thrillergenre ein doch immer wieder dankbares Szenario. Warum also nicht einmal in Animeform? Tatsächlich ist der Auftakt von Speed Grapher sehr vielversprechend: Wir folgen Saiga durch den erdrückenden Dschungel, sehen mit ihm die Schrecken des Krieges, sind fast selbst an der Schwelle zum Tod. Der positive Eindruck hält sich auch, als wir in die Stadt wechseln: düster, bedrohlich, stimmungsvoll, zusammen mit der jazzigen Musik kommen nun auch Film-Noir-Anleihen hinzu.

Doch schon als wir das erste Mal den verkommenen Roppongi Club betreten, in denen die High Society sich gerade in einer gemeinschaftlichen Orgie à la Eyes Wide Shut verlustiert, trübt sich dieser Eindruck etwas. Statt einer stilvollen knisternden Erotik wird plumpe Provokation aufgetischt, ältere, lüsterne Herren gaffen die junge Frau an, die natürlich viel nackte Haut zeigt. Doch spätestens als Saiga seine neuen todbringenden Fähigkeiten entdeckt, beginnt Speed Grapher völlig zu entgleisen und sich auch im Laufe der nächsten 24 Folgen nicht mehr zu fangen. Da treffen groteske Kreaturen wie eine diamantenfressende Frau oder ein Mann mit Gummigelenken auf überzeichnete transsexuelle Gangster, eine Polizistin nutzt eine Waffe zur sexuellen Stimulation, herkömmliche Actionszenen werden durch eine sehr atmosphärische Geisterepisode unterbrochen, auch wissenschaftliche Experimente und melodramatischer Kitsch dürfen nicht fehlen.

Einige dieser Elemente sind für sich genommen sogar durchaus reizvoll. Bei den bizarren Fähigkeiten der Protagonisten wurde beispielsweise viel Kreativität bewiesen. Nur sind die zu selten, um wirklich eine ganze Serie zu tragen, zumal sie nicht mit der betonten Ernsthaftigkeit von Speed Grapher harmonieren. Anstatt wie bei Kill La Kill oder Samurai Flamenco die eigene Absurdität mit offenen Armen zu empfangen, wird hier vergleichbar zu Deadman Wonderland versucht, sie mit ernsthafter Abgründigkeit zu kombinieren – und scheitert vergleichbar kläglich. Was in der eigens fürs Fernsehen entwickelten Geschichte abgebrüht rüberkommen will, provokant und nachdenklich stimmend, ist aufgrund der dümmlichen Dialoge eher unfreiwillig komisch. Nicht einmal die Charaktere wollen einen bei Laune halten, sieht man von den diversen Fetischen und sonderbaren Fähigkeiten ab, ist nicht viel über sie zu sagen. Saiga bleibt bis zuletzt farblos, Kagura ist die übliche Damsel in Distress.

Auch optisch gibt es nicht wirklich etwas, das Speed Grapher auszeichnen würde. Die Hintergründe sind gefällig, außerdem verzichtete das Animationsstudio Gonzo dieses Mal auf seine häufig verwendeten, oft überflüssigen Computerbilder. Dafür sind die Charakterdesigns nicht mehr als Durchschnitt, die Animationen sogar etwas darunter. Deutlich besser ist der Stand bei der Musik, welche das Geschehen gut untermalt und zumindest streckenweise über den inhaltlichen Mischmasch hinwegsehen lässt. Reicht das, um sich Speed Grapher anschauen zu wollen? Nicht wirklich. Am ehesten werden noch die trashaffine Zuschauer ihren Spaß an der überraschend expliziten und brutalen Serie haben, denn einige Einfälle sind so absonderlich, dass man sie kaum wieder vergessen wird. Der Rest kann den pseudoerwachsenen Anime getrost ignorieren.



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Ein ehemaliger Kriegsfotograf ist einer geheimen Gesellschaft und einer großen Verschwörung auf der Spur, das klingt vielversprechend. Doch nach einem stimmungsvollen Auftakt verliert sich die Animeserie in zu vielen Stilen und Genres. Einzelne Elemente überzeugen, andere nicht, vor allem passt hier nichts zusammen, „Speed Grapher“ will provokativer sein, als es ist. Aus dem Kuddelmuddel ragen lediglich die gute Musik und die grotesken Kreaturen hervor.
4
von 10