St Vincent
© 2015 Sony Pictures

St. Vincent

(„St. Vincent“ directed by Theodore Melfi, 2014)

St Vincent
„St. Vincent“ läuft ab 8. Januar im Kino

Alles auf Anfang: Nach ihrer hässlichen Scheidung versucht Maggie (Melissa McCarthy), mit ihrem 12-jährigen Sohn Oliver (Jaeden Lieberher) wieder auf die Beine zu kommen. Doch so ganz klappt das nicht wie vorgestellt, denn schon beim Einzug gerät sie mit dem griesgrämigen Nachbarn Vincent (Bill Murray) aneinander, zudem muss sie bei ihrer neuen Stelle im Krankenhaus ständig Überstunden schieben. Als sie wieder einmal nicht rechtzeitig nach Hause kommt, greift sie zu verzweifelten Mitteln: Vincent soll der neue Babysitter werden. Der ist mit seinem Hang zu Alkohol, Prostituierten und unflätigen Ausdrücken zwar kein besonders gutes Vorbild, sagt aber dennoch zu, um seine Wettschulden zu begleichen – der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft.

Moment, ist Weihnachten denn nicht schon vorbei? Normalerweise werden süßliche Filme zu Freundschaft und wahren Werten ganz gerne gegen Ende des Jahres veröffentlicht, um von der wohlmeinenden Besinnlichkeit der Menschen zu profitieren. Während St. Vincent in den USA auch tatsächlich schon Ende Oktober anlief und ordentliche Ergebnisse einfuhr, mussten deutsche Kinogänger bis Anfang Januar warten. Vielleicht fürchtete man die übergroße Blockbusterkonkurrenz, die im Dezember erfahrungsgemäß die Kinosäle blockiert. Vielleicht vertraute man aber auch einfach darauf, dass die Aussage des Films – beurteile andere nicht nach ihrer äußeren Erscheinung, in jedem Menschen steckt etwas Gutes – so universell ist, dass sie das ganze Jahr über funktioniert.

Und um bei der Übermittlung dieser Aussage auch ja nichts zu riskieren, steckte sie Regisseur und Drehbuchautor Theodore Melfi in ein bewährtes Korsett: böser, alter Mann trifft kleinen Jungen, nach anfänglichen Problemen findet man zueinander, kurz vor Schluss kommt es zu Verwerfungen, doch danach haben sich alle wieder lieb, jeder hat dazugelernt. Das mag man je nach Einstellung gutherzig nennen oder zynisch, eines sicher nicht: originell. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, hier etwas Eigenständiges zu sehen. So sehr hält sich St. Vincent an das Schema, dass der Film auch dann den Konventionen folgt, wenn sie eigentlich keinen Sinn ergeben und sie ein nicht nachvollziehbares Verhalten der Figuren zur Folge hat.

Dass die Tragikomödie schlussendlich aber doch leidlich unterhaltsam ist, liegt an ihrer hochkarätigen Besetzung. Billy Murray durfte ja schon in den 80ern in Filmen wie Die Geister, die ich rief unter Beweis stellen, dass ihm zynische, mürrische Rollen liegen. Jetzt, mit über 60, hat er nun auch das dafür passende Alter erreicht. Viel tun muss er daher auch nicht, dass ihm hier die Herzen der Zuschauer zufliegen: Es reicht, mit Knautschgesicht durch die Gegend zu torkeln und dann und wann fiese Sprüche den anderen vor den Latz zu knallen, und schon stimmt der Spaßfaktor. Auch Naomi Watts als schnodderige Prostituierte schafft es immer wieder, die Lachmuskeln zu trainieren. Melissa McCarthy hat im Vergleich dazu die undankbarere Rolle. Ihr komödiantisches Talent darf sie hier nie ausspielen, stattdessen ist sie für die rührseligeren Momente zuständig.

Und von denen gibt es gerade in der zweiten Hälfte jede Menge. Immer wieder wechseln sich gelungene humorvolle Szenen mit wenig subtilen dramatischeren ab, besonders zum Schluss wird erst der Holzhammer, dann die Zuckergussspritze ausgepackt und sehr großzügig verwendet. Man sollte also schon eine hohe Toleranz, besser noch eine Vorliebe für derlei manipulativ-sentimentale Augenblicke haben, um St. Vincent etwas abgewinnen zu können. Ist das der Fall, bietet sich zwar immer noch eine nur solide Tragikomödie, aber eben eine mit einem großartigen Bill Murray – und das ist mehr, als vergleichbare Genrebeispiele von sich behaupten können.



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Heilig oder nicht, diese Frage stellt sich hier nicht wirklich. Die Tragikomödie um einen im Grunde gutherzigen Griesgram und seine Freundschaft zu einem kleinen Jungen ist schamlos vorhersehbar und schreckt später auch vor manipulativer Sentimentalität zurück. Gerettet wird „St. Vincent“ jedoch durch seine hochkarätige Besetzung, allen voran Bill Murray als wunderbar fieser Nachbar sorgt immer wieder für Erheiterung.
6
von 10