Tannbach Schicksal eines Dorfes
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Tannbach – Schicksal eines Dorfes

(„Tannbach – Schicksal eines Dorfes“ directed by Alexander Dierbach, 2014)

Tannbach ReleaseMai 1945, der Zweite Weltkrieg steht kurz vor seinem Ende. Doch für Tannbach und seine Bewohner fängt der Schrecken damit erst an. Zunächst von den Amerikanern, später von den Russen besetzt, wird das kleine Dorf an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern zum Spielball zwischen den beiden Großmächten. Kriegsverweigerer, Flüchtlinge, Großgrundbesitzer, Kommunisten und überzeugte Nazis finden sich plötzlich zusammengepfercht, müssen nun einen Weg finden, das Vergangene zu verarbeiten und eine gemeinsame Zukunft zu finden. Und das ist schwierig, denn das Dorf soll geteilt werden, liegt es doch genau an der Grenze zwischen zwei Besatzungszonen.

Groß waren die Feierlichkeiten im November, als sich der Mauerfall das 25. Mal jährte, noch größer dürften die sein, die wir in einigen Monaten zu der deutschen Wiedervereinigung erleben dürfen. Doch vorher ist es an der Zeit, sich noch einmal daran zu erinnern: Was bedeutete das eigentlich, rund 40 Jahre in einem geteilten Land zu leben? Da sich das am besten an einem konkreten Beispiel zeigen lässt, entwickelte das Geschwisterpaar Josephin und Robert von Thayenthal die Geschichte des fiktiven Dorfes Tannbach. Inspiriert wurden sie dabei nicht von Berlin, wie man vermuten könnte, sondern dem real existierenden Dorf Mödlareuth, das ebenfalls durch die innerdeutsche Grenze geteilt wurde.

Einen gewissen Anspruch auf Authentizität erhob man bei Tannbach also, im Großen und Ganzen wirkt die Erzählung der Dorfgemeinschaft auch durchaus glaubwürdig. Der TV-Dreiteiler vermied es, sich zu sehr auf einzelne Personen zu konzentrieren und sich dem großen Drama hinzugeben, sondern versammelt gleich mehrere Familien auf kleiner Fläche. Den Mittelpunkt bildet zwar die Beziehung zwischen der Gutstochter Anna von Striesow (Henriette Confurius) und dem Exilberliner Friedrich Erler (Jonas Nay), welche zum Kriegsende ihren Anfang fand, doch in den viereinhalb Stunden Laufzeit bieten sich mehr genügend Gelegenheiten, auch auf das Schicksal der anderen Bewohner einzugehen.

Das Großangebot kommt dem Film sicher zugute, die verschiedenen Handlungsstränge sorgen für Abwechslung und erlauben es, die verschiedensten Reaktionen und Ansichten zu zeigen. Spannend ist es vor allem, wie die Meinungen der Betroffenen auseinandergehen, der etwas naive Friedrich von einer besseren Welt träumt, Annas Vater Georg (Heiner Lauterbach) jedoch empört ist von der russischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland. Für wirklich mehr als Skizzen ist dabei jedoch kein Platz, Tannbach hat soviel zu erzählen und zeigen, dass hier so manches an der Oberfläche bleibt. Das gilt insbesondere für die Besatzer: Die Amerikaner sind freundliche Opportunisten, die Russen barbarische und primitive Verbrecher – das ist nicht nur angesichts der aktuellen geopolitischen Lage ärgerlich undifferenziert.

Auch in anderer Hinsicht steht sich Tannbach unnötig selbst im Weg. Dass die Bewohner fälschlicherweise in oberbayrischer Mundart sprechen, sorgte nicht nur in den betroffenen Gebieten für Irritationen. Völlig misslungen ist jedoch die musikalische Untermalung. Dass bei TV-Events auf Subtilität gerne verzichtet wird, ist kein Geheimnis, das Anliegen muss schließlich notfalls mit Gewalt in die Köpfe und Herzen der Zuschauer transportiert werden. Ganz so holzhammermäßig hätte es aber nun auch nicht sein müssen. Schon zum Auftakt wird man von dem lärmenden Score geradezu erschlagen, und auch später finden sich immer wieder Stellen, an denen die aufdringliche Musik die Darsteller an den Rand des Geschehens drängt.

Und das ist insofern eine bedauerliche Entscheidung, weil Regisseur Alexander Dierbach hier mit hervorragenden Schauspielern zusammenarbeiten konnte. Neben den Jungstars Confurius, Nay und Maria Dragus, dürfen auch etablierte Kollegen wie Lauterbach, Ronald Zehrfeld, Martina Gedeck und Alexander Held mitmischen. Dass dieses Ergebnis oft sehenswert ist, versteht sich von selbst, die schauspielerischen Leistungen halten einen selbst dann noch fest, wenn Tannbach zwischendurch etwas ziellos wird. Das sahen auch die deutschen Zuschauer so, rund 6, 5 Millionen schalteten während der drei Teile jeweils ein. Beflügelt von dem Erfolg wird nun sogar darüber nachgedacht, eine Fortsetzung zu drehen. Verkehrt wäre das nicht, denn gerade als die Geschichte spannend wird und sich die beiden Teile Deutschlands auseinanderdividieren, hört die Serie auf. Zu erzählen gäbe es also noch einiges, und wenn die Ausstattung ähnlich gut ist wie hier, würde sich das Zuhören auch lohnen. Meistens zumindest.



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Deutschlands Teilung anhand eines Dorfes zu erzählen ist ein ambitioniertes Unterfangen. Das ist in „Tannbach“ dank mehrerer Faktoren über weite Strecken auch gelungen: die verschiedenen Handlungsstränge, das Aufeinanderprallen von Ideologien, die gute Ausstattung und die hervorragende Besetzung. An einigen Stellen wird es jedoch auch sehr oberflächlich, zudem zerstört die dröhend-dramatische Musik regelmäßig die Atmosphäre.
6
von 10