(„The Second Coming“ directed by Herman Yau and Tin Chi Ng, 2014)
Wenn es nach Jen (Maggie Siu) und Ming (Tak-Bun Wong) gegangen wäre, ihre Tochter hätte nie das Licht der Welt erblickt. Doch Jens Abtreibungsversuch schlug fehl, beinahe wäre sie selbst dabei ums Leben gekommen. 14 Jahre später ist Lucy (Joey Leong) zu einer gesunden, glücklichen Teenagerin herangereift. Doch ihr Schicksal nimmt eine finstere Wendung, als sie im Garten ein seltsames Glasgefäß ausgräbt. Immer wieder sieht sie daraufhin grässliche und grausame Bilder, leidet unter Halluzinationen und wird plötzlich für sich und andere zu einer Gefahr.
China, das bedeutete für westliche Zuschauer lange Jahre vor allem Martial Arts und Actionkomödien. Während in der letzten Zeit auch andere Genres sehenswerten Zuwachs erhielten – vor allem Dramen wie Feuerwerk am helllichten Tag oder A Touch of Sin konnten 2014 viel Kritikerlob einheimsen – für Horrorfans hat das Reich der Mitte nach wie vor eher weniger zu bieten. Der stylische Vampirfilm Rigor Mortis bot vor einigen Monaten eine Menge fürs Auge, ansonsten blickten Freunde übernatürlich-düsterer Geschichten in die Röhre. Und daran wird The Second Coming nicht viel ändern.
Die Ausgangssituation ist dabei noch einigermaßen vielversprechend. Abtreibungen und Nahtoderfahrungen sind vielleicht nicht der einfallsreichste Aufhänger für unerklärliche Begegnungen, aber nicht jeder Horrorfilm muss das Genre neu erfinden. Das dachte sich dann wohl auch Drehbuchautor Tin Chi Ng, der sich mit Herman Yau zudem den Regiestuhl teilte, und versuchte deshalb auch gar nicht erst, etwas Eigenständiges auf die Beine zu stellen. Schockeffekte und ein bisschen Splatter, so lautet sein Plan, das Zielpublikum auf seine Seite zu ziehen.
Das wäre an und für sich nicht verwerflich, wenn das Ergebnis nur nicht so furchtbar plump ausgefallen wäre. Schon Sekunden vorher weiß der geneigte Zuschauer, dass gleich ein Angriff auf sein Nervenkostüm bevorsteht, denn die lärmend-dramatische Musik nimmt bereits alles vorweg und begräbt so jeden Anflug von Unruhe. Das ist nicht nur kontraproduktiv, weil so jeglicher Überraschungsmoment fehlt, sondern auch inszenatorisch billig. Dass keine rechte Spannung aufkommen will, liegt aber auch an den Horrormomenten an sich, die dank schlechter Effekte und mangelnder Variation wirkungslos verpuffen.
Wenn wenigstens ein Trashfaktor für Unterhaltung sorgen würde wie es bei den japanischen Kollegen Zombie Ass oder Cult der Fall ist, die so bizarr und respektlos sind, dass sie schon wieder erheitern. Doch auch in der Hinsicht geht der Suchende leer aus, dafür ist The Second Coming einfach zu gewöhnlich. Erst zum Schluss darf über einige lächerliche Einfälle geschmunzelt werden, sofern man vorher nicht schon an Langeweile gestorben ist. Wer zu dem chinesischen Film greift, weil er früher an der zwischenzeitlich zum Stillstand gekommenen Asia-Horror-Welle Gefallen fand, wird an dem überraschend blutigen Nachkömmling nur wenig Freude haben und sollte lieber zu dem ungleich atmosphärischeren Kollege The Echo greifen – oder doch wieder einen der Klassiker aus dem Schrank kramen.
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