(„Blackhat“ directed by Michael Mann, 2015)
Erst gibt es einen Anschlag auf ein chinesisches Kraftwerk, danach werden die Börsenkurse an der Wallstreet kräftig manipuliert – beide Male von denselben Tätern. Doch wer steckt dahinter? Und was wollen sie? Um dies herauszufinden, müssen das FBI und die Kollegen aus dem Reich der Mitte wohl oder übel zusammenarbeiten. Und so reisen der Top-Experte für Cyber-Kriminalität, Chen Dawai (Leehom Wang), und dessen gleichfalls talentierte Schwester Chen Lien (Tang Wei) gemeinsam in die USA, um mit Special Agent Carol Barrett (Viola Davis) das weitere Vorgehen zu besprechen. Aber gleich der erste Vorschlag des Geschwisterpaars stößt auf wenig Gegenliebe, lautet der doch, das Computerass Nicholas Hathaway (Chris Hemsworth) mit ins Boot zu holen – und der sitzt gerade im Knast, weil er selbst diverse Hacker-Vergehen auf dem Konto hat.
Und schon wieder ein Cyber-Thriller. Längst sind Internet, Computer und Technik untrennbar mit unserem Alltag verwoben, haben Menschen mit krimineller Energie völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Ob nun aus tatsächlichem Interesse oder als Versuch, dem Zeitgeist zu entsprechen, auch Filmschaffende haben dieses Thema für sich entdeckt, stricken ganze Geschichten um virtuelle Verbrechen oder bauen sie zumindest am Rande ein. Und sie alle müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man ein optisch langweiliges Thema – Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm sind als Hinkucker nunmal eher ungeeignet – für ein größeres Publikum aufbereitet. Who Am I? behalf sich hierbei einer schönen U-Bahn-Metapher, Open Windows setzt auf hohes Tempo und parallel stattfindende Ereignisse.
Andere zeigten sich da weniger einfallsreich, und zu denen darf man nun auch Michael Mann (Heat, Collateral) zählen. Der Einstieg erfolgt daher auch recht klassisch über Kabel und Netzwerke, durch die wir mit ihm entlangrasen, blinkende Lichter und ständige Richtungswechsel halten das Auge beschäftigt. Originell ist das nicht, zumindest aber stilvoll umgesetzt. Im Anschluss verlor Mann jedoch offensichtlich das Interesse, ging der Frage schlicht aus dem Weg, indem der Regisseur und Ko-Autor Blackhat zu einer internationalen Verbrecherjagd ummünzt, welche die Protagonisten an die unterschiedlichsten Orte führt. Wenn schon auf den Bildschirmen nicht viel los ist, darf wenigstens das Drumherum für ein bisschen Abwechslung sorgen.
Der optische Höhepunkt ist jedoch, wenn Mann die Geschichte völlig beiseite schiebt und seine Protagonisten ins Getümmel schickt. Die Verfolgungsjagden und Kämpfe sind inhaltlich zwar ziemlich aufgezwungen, aber so schick und rasant inszeniert, dass man währenddessen alles drum herum vergisst. Und das ist auch gut so, denn wann immer die Figuren anfangen zu sprechen, wünscht man sich die Actionszenen zurück. Doch die sind selten, viel zu selten, um Blackhat zu einem auch nur ansatzweise guten Film zu machen.
Das Desaster fängt schon mit der völligen Fehlbesetzung der Hauptfigur ab: Wie schon sein Bruder Liam im ähnlich missglückten Paranoia nimmt man Chris Hemsworth die Rolle des Computergenies einfach nicht ab; wenn er durch Serverräume schreitet, weckt er den Eindruck, als suche er gerade sein Surfbrett, vor dem Rechner wirkt er absolut deplatziert. Offensichtlich war das Michael Mann auch selbst bewusst, und lässt die Cyberkoryphäe deshalb gleichzeitig als Kampfsportexperten fungieren, der zudem bei Schusswechseln mehr Talent zeigt als die dafür ausgebildeten Agenten. Und wenn selbst das nichts hilft, darf der Sexiest Man Alive dann eben das Hemd ausziehen und so seinen muskelgestählten Körper präsentieren.
Dass der Australier mehr verdient hätte und tatsächlich über schauspielerisches Talent verfügt, durfte er letztes Jahr in Rush beweisen. Mann gibt ihm diese Gelegenheit jedoch nie, so wie hier inhaltlich alles auf niedrigem Niveau verharrt. Ob es nun die krude Geschichte um den mysteriösen Hacker ist, die unglaubwürdigen Ermittlungen, die obligatorische Liebesbeziehung zwischen Nicholas und Chen, die langweiligen Figuren oder die dümmlichen Dialoge, der Thriller ist die wiedergekäute Imitation der B-Movie-Abteilung aus der Videothek, hält sich so sehr ans Reißbrett, dass er fast schon als Satire durchginge. Nur dass er eben nicht komisch ist. Wäre da nicht die besagte hübsche Optik und die Actionszenen, Blackhat wäre ein Totalausfall geworden. Aber auch so schrammt der Film oft genug an der Grenze zur Unzumutbarkeit vorbei und war nicht unverdient an den amerikanischen Kinokassen einer der größten Big-Budget-Flops aller Zeiten.
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