Ein Sommer mit Flaubert
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Ein Sommer mit Flaubert

(„Gemma Bovery“ directed by Anne Fontaine, 2014)

Ein Sommer mit Flaubert
„Ein Sommer mit Flaubert“ ist seit 26. Februar auf DVD erhältlich

Goodbye England, bonjour France! Das Restauratoren-Ehepaar Gemma (Gemma Arterton) und Charlie Bovery (Jason Flemying) beschließt, London den Rücken zuzukehren, um ein neues Leben in der Normandie zu beginnen. Ihr neuer Nachbar, der Bäcker Martin (Fabrice Luchini), ist ziemlich entzückt über die Wahlfranzosen, was zum einen an der Attraktivität von Gemma liegt, aber auch an deren Namen: Gemma und Charlie Bovery, das klingt fast so wie Emma und Charles Bovary. Das kann kein Zufall sein, vermutet der literaturbegeisterte Martin, sieht in der hübschen Engländerin eine Art Wiedergeburt der Romanfigur von Gustave Flaubert. Als diese dann auch tatsächlich eine Affäre mit dem adligen Jüngling Hervé de Bressigny (Niels Schneider) beginnt, fühlt sich Martin in der Pflicht einzugreifen.

„Madame Bovary“, jener 1856 erschienene Roman über eine gelangweilte Frau, die Zerstreuung in diversen Affären sucht, gehört zu den heiligen Kühen der französischen Literaturgeschichte. Doch nicht der Klassiker von Gustave Flaubert stand hier Pate, sondern die Graphic Novel „Gemma Bovery“ der englischen Künstlerin Posy Simmonds. Natürlich ist der Einfluss des Originals aber auch über mehrere Ecken in Ein Sommer mit Flaubert noch deutlich zu spüren, denn die Parallelen sind schon frappant. Reizvoll ist der Film damit in erster Linie für Kenner der Vorlage, die die Anspielungen und Entsprechungen auch einordnen können, die verstehen, warum der Träumer Martin auf seine charmant-dreiste Weise Schicksal spielen will.

Witzig sind aber auch die zahlreichen Culture-Clash-Momente. Wenn Engländer in Frankreich einfallen, dann sind gewisse Anpassungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Ob es nun die Sprachbarriere ist, das Aufeinanderprallen von Klischees oder schon das Problem, beim Bäcker das richtige Brot zu finden – Regisseurin Anne Fontaine versteht es hier mit den zwei Nationalitäten zu spielen. In der deutschen Version wurde der Sprachwirrwarr übrigens zumindest teilweise beibehalten, indem nur die französischen Dialoge übersetzt wurden, die englischen im Originalton blieben. Das ist zwar nur ein Kompromiss, aber er funktioniert ganz gut. Und lobenswert ist es ohnehin, wenn ausnahmsweise mal nicht alles gleich eingedeutscht wird und so sprachliche Besonderheiten zunichte gemacht werden.

Wenn Ein Sommer mit Flaubert mit Problemen zu kämpfen hat, dann liegen die auch gar nicht im Humorbereich, sondern sind eher genereller Natur. Warum Gemma sich auf eine Affäre einlässt, wird nie so ganz klar, denn anders als bei ihrem literarischen Vorbild ist bei ihr von einer Eingeengtheit oder existenzieller Langeweile nichts zu spüren. Dadurch fehlt der Tragikomödie die Glaubwürdigkeit, eine Rechtfertigung für das, was passiert. Sicher müssen Gefühle und Handlungen nicht immer rational erklärbar sein, hier wirkt es jedoch so, als würde man einem zwischenmenschlichen Versuch zusehen, weniger einem dargestellten Leben. Und zum Schluss verlässt die französische Produktion leider dann vollends das Reich der Wahrscheinlichkeit, schlägt inhaltlich und tonal einen völlig unerwarteten Weg ein. Doch auch wenn Ein Sommer mit Flaubert nicht ganz rund ist, ein unterhaltsamer Zeitvertreib ist er zweifelsfrei, der mit dem engagierten Spiel von Gemma Arterton und Fabrice Luchini viele Sympathiepunkte sammelt.



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„Ein Sommer mit Flaubert“ ist eine sympathische Tragikomödie, die dank zahlreicher Verweise auf „Madame Bovary“ und Culture-Clash-Momenten gut unterhält. Negativ fällt jedoch die mangelnde Glaubwürdigkeit auf, welche dem französischen Film vor allem zum Ende hin Probleme bereitet.
6
von 10