Grisu
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Grisu, der kleine Drache

(„Grisù“, 1975)

GrisuNachdem wir in den letzten Ausgaben unseres fortlaufenden Animationsspecials Beispiele angeschaut haben, die auf bekannten Vorlagen basierten, steht in Teil 41 wieder eine Originalentwicklung auf dem Programm. Und die wurde nicht nur selbst zu einem Klassiker, sondern auch zum Aushängeschild eines ganzen Berufszweiges.

Ich will Feuerwehrmann werden! Kein seltener Berufswunsch, viele Jungen wollen einmal gefährliche Feuer löschen und Menschen das Leben retten. Nur ist Grisu eben kein Junge, sondern ein Drache. Diese Kombination ist nicht nur ungewöhnlich, der kleine Hitzkopf treibt damit seinen Vater Fumé regelmäßig in den Wahnsinn. Denn der ist noch ein Drache alter Schule und versteht so gar nicht, warum sein Sohn komplett aus der Art geschlagen ist. Doch zum Glück gibt es noch Sir Cedric McDragon und seine Frau Lady Rowena, welche die beiden regelmäßig mit neuen Aufgaben betreuen und Grisu so zumindest eine Weile von seinem manischen Wunsch ablenken.

Es ist der alte Kampf zwischen Eltern und Kindern, zwischen Tradition und Moderne, Familiensinn und Individualität. In Dramen gehören jugendliche Protagonisten auf der Suche nach einem eigenen Weg zum Standardrepertoire. An einem solchen hatten die Brüder Nino und Toni Pagot – auf die auch die Comicfigur des schwarzen Kükens Calimero zurückging –  jedoch nur wenig Interesse, wie an den Protagonisten unschwer zu erkennen ist. Schon in den 60ern hatte Grisu, ähnlich wie sein Landsmann La Linea, einen ersten Auftritt in Werbesendungen, bevor er 1975 seine eigene Serie bekam und dort den bekannten Generationenkonflikt ins Absurde drehte. Traurige oder bewegende Momente hat Grisu, der kleine Drache deshalb keine zu bieten, die Serie will in erster Linie komisch sein.

Und das ist sie auch, wenn auch mit Abstrichen. Anders als die andere große italienische Zeichentrickserie der 70er, Signor Rossi, ist hier der Humor eher für ein jüngeres Publikum gedacht. Satirische und surreale Elemente wie beim untersetzten Träumer findet man bei Grisu kaum, stattdessen gibt es hier in erster Linie Situationskomik und diverse Running Gags. So beginnt fast jede der Episoden damit, dass Grisu versehentlich einen Vogel in Brand setzt und Sir Cedric darum bittet, bei der Feuerwehr aufgenommen zu werden. Und auch zum Schluss kommt es meist zu einem nicht geplanten Feuer, was mal positive, mal negative Auswirkungen hat, Grisu so oder so aber in eine tiefe Identitätskrise rutschen lässt.

Eine wirkliche Entwicklung gibt es im Lauf der 28 Folgen nicht, größtenteils könnte man sie in einer beliebigen Reihenfolge sehen, die Serie endet so plötzlich, wie sie angefangen hat. Das macht den Einstieg natürlich leichter, hat jedoch auch zur Folge, dass die Abwechslung auf Dauer höher sein könnte. Gerade wer mehrere Episoden hintereinander anschaut, wird unweigerlich Ermüdungserscheinungen feststellen. Immerhin, innerhalb dieses festen Schemas waren die Brüder erstaunlich kreativ. Wenn sie den kleinen Grisu nicht gerade abwegige Jobs wie Geheimagent oder Regisseur versuchen lassen, schicken sie ihn und seinen Vater in obskure Länder, die beispielsweise in einem ewigen Nebel leben, von einer Schlafkrankheit heimgesucht werden oder auch unter elastischen Böden leiden.

In Dosen genossen macht Grisu, der kleine Drache also noch immer Spaß. Wie bei Zeichentrickproduktionen dieser Zeit muss man jedoch Abstriche in der Technik Kauf nehmen: Die Hintergründe sind größtenteils simple Wasserfarbenflächen, die Animationen bestenfalls mäßig zu nennen. Auch die musikalische Untermalung ist nichts Besonderes, besteht aus der üblichen Mischung aus einfacher Hintergrundbeschallung und witzigen Soundeffekten. Dafür sind die Designs der Figuren gefällig und die Synchronisation wie seinerzeit üblich absolut gelungen. Jüngere sowie nostalgisch veranlagte Zuschauer sind deshalb auch heute noch bei den etwas in Vergessenheit geratenen Drachenabenteuern gut aufgehoben. Für echte Feuerwehrmänner oder solche, die es werden wollen, gehört Grisu ohnehin zum Pflichtprogramm – nicht umsonst wurde er bei vielen nach der Ausstrahlung zum inoffiziellen Maskottchen ihres Berufes.



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Was tun, wenn der eigene Sohn etwas völlig anderes werden will als man selbst? „Grisu, der kleine Drache“ nimmt den altbekannten Generationenkonflikt und dreht ihn ins Absurde. Insgesamt fehlt es der Serie zwar an Abwechslung, technisch ist sie ohnehin veraltet. Vor allem jüngere Zuschauer werden an der Situationskomik und den verrückten Abenteuern aber noch immer ihren Spaß haben.
7
von 10