Inherent Vice
© Warner Bros

Inherent Vice – Natürliche Mängel

(„Inherent Vice“ directed by Paul Thomas Anderson, 2014)

Inherent Vice
„Inhärent Vice – Natürliche Mängel“ läuft ab 12. Februar im Kino

Wirklich damit gerechnet hatte Larry Sportello (Joaquin Phoenix) wohl nicht mehr, dass er seine Ex Shasta Fay Hepworth (Katherine Waterston) noch einmal wiedersehen würde. Und doch steht sie auf einmal vor ihm, bittet den Privatdetektiv um Hilfe. Ihr Liebhaber, Immobilien-König Mickey Wolfmann (Eric Roberts), soll von dessen Frau und deren Liebhaber entführt und in eine Irrenanstalt gesteckt werden. Noch bevor sich Larry dieser Sache annehmen kann, verschwindet der Krösus jedoch, und Sasha gleich mit dazu. Als er Forschungen anstellt, erfährt er von einem mysteriösen „Golden Fang“ und gerät immer wieder mit seinem Erzfeind aneinander, Cop Christian „Bigfoot“ Bjornsen (Josh Brolin).

Einen Roman von Thomas Pynchon verfilmen zu wollen? Das ist mutig. Nicht nur, weil der publikumsscheue Autor Kultstatus genießt, sondern auch weil dessen Werke für ihren schwer durchschaubaren Inhalt berühmt und berüchtigt sind, der sich mehr durch Anspielungen, Atmosphäre und postmoderne Versatzstücke auszeichnet, weniger durch eine zusammenhängende Geschichte. Wenn dann auch noch mit Paul Thomas Anderson (There Will Be Blood, The Master) einer der führenden Arthouse-Regisseure die Umsetzung übernimmt, juchzen Kritiker schon im Vorfeld vor Entzücken, das Mainstream-Publikum stöhnt vor Entsetzen. Und beide werden hier dann auch ungefähr das vorfinden, was sie erhofft und befürchtet haben.

Dabei ist Inherent Vice noch eines der zugänglichsten Bücher Pynchons. Und auch die Verfilmung täuscht einem anfangs vor, es mit einem herkömmlichen Krimi aus den 70ern zu tun zu haben. Sportello, der sich selbst gerne Doc nennen lässt, ist die Art heruntergekommener Privatdetektiv, die regelmäßig mit der Polizei aneinander gerät, sich mit jedem anlegt, aber auch von jedem aufgesucht wird. Bald schon wird die Täuschung jedoch von komischen Momenten durchbrochen, in denen vor allem der Schnüffler und sein Gegenspieler Bigfoot zur Witzfigur degradiert werden, aber auch das Umfeld aus einem Kuriositätenzirkus entkommen zu sein scheint. Regelmäßig wandert der Film zwischen Hommage und Parodie hin und her, ist am Ende weder das eine noch das andere. Auf der anderen Seite des „ist“, da wartet nur das Nichts – und jede Menge Fragezeichen.

Doch diese Verweigerung ist gar nicht mal das Hauptproblem von Inherent Vice, sondern dessen Länge. Knapp zweieinhalb Stunden fordert Anderson von seinem Zuschauer ein, ohne dafür eine gleichwertige Rechtfertigung anzubieten. Natürlich braucht ein Film nicht zwangsweise einen komplexen Inhalt, um 150 Minuten zu füllen, wie Peter Jackson kürzlich in Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere eindrucksvoll unter Beweis stellte. Tatsächlich ist die Pynchon-Verfilmung dann auch so etwas wie die intellektualisierte Version der inhaltsleeren Blockbuster, bei denen Kritiker sonst gern die Nase rümpfen. Darf man einen Regisseur dafür bewundern, einen solchen Anti-Film zu drehen? Oh ja, denn Anderson beweist hier einen Mut, der in Hollywood kaum mehr vorhanden ist. Aber ist das Ergebnis deswegen auch gut und lohnenswert? Nicht unbedingt.

Dabei ist es nicht so, dass Inherent Vice nicht seine Momente hätte. Die hat der Film, sehr oft sogar. Ob es nun der abwegige Humor ist, der oft ins Surreale abschweift oder die grandiosen Schauspielmomente des namhaften Ensembles, es gibt Stellen, an denen man diesen seltsamen Pseudo-Krimi liebt. Und brillant umgesetzt ist er auch: Wären da nicht die vielen bekannten Gesichter der Neuzeit, man könnte tatsächlich meinen, einen unbekannten Streifen aus den 70ern zu sehen – Ausstattung, Kostüme und Musik greifen hier perfekt ineinander. Nur reicht das alles nicht für die volle Distanz: Die inszenatorischen Tricks nutzen sich zu schnell ab, Inhärent Vice ergibt sich der gepflegten Langeweile und erhebt Belanglosigkeit zu einer Kunstform. Interessant ist das filmische Experiment sicher, aber nicht wirklich mehr als das.



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Paul Thomas Anderson verfilmt einen Roman von Thomas Pynchon, das verspricht ein außergewöhnliches Erlebnis. „Inherent Vice“ begeistert dann auch durch eine brillante Inszenierung, abwegigen Humor und grandiose Schauspieler. Eine Geschichte wird hier jedoch nicht erzählt, die anfängliche Begeisterung weicht dank einer starken Überlänge später der Langeweile.
6
von 10