(„The Mirror Crack’d“ directed by Guy Hamilton, 1980)
Ganz St. Mary Mead ist in heller Aufregung, als bekannt wird, dass ausgerechnet in dem kleinen Dorf ein großer Historienfilm gedreht werden soll. Doch bald gibt es einen noch ganz anderen Anlass zum Tratschen: Bei einer opulenten Feier, wo die beiden Stars des Films – Marina Rudd (Elizabeth Taylor) und Lola Brewster (Kim Novak) – dem Publikum schon einmal vorgestellt werden sollen, stirbt plötzlich eine der Dorfbewohnerinnen. Doch wer hätte die unscheinbare Heather Badcock hätte ermorden wollen? Oder war vielleicht doch Marina Rudd das Ziel? Die Polizei steht vor einem Rätsel. Und so liegt es wieder einmal an der Hobbyspürnase Miss Marple (Angela Lansbury), Licht ins Dunkel zu bringen.
Wird aber auch Zeit, wird sich manch einer gedacht haben, als 1980 Mord im Spiegel in die Kinos kam. Hatte es zu dem Zeitpunkt bereits mehrere starbesetzte Agatha-Christie-Verfilmungen gegeben – vor allem die beiden Poirot-Abenteuer Mord im Orientexpress und Tod auf dem Nil waren geradezu absurd prominent besetzt – wurde Miss Marple eherstiefmütterlich behandelt. Mag sein, dass dies an den Geschichten selbst lag, die vornehmlich in dem kleinen englischen Dorf spielten, anstatt wie beim belgischen Meisterdetektiv durch die ganze Welt zu führen, und damit nur wenig fürs Auge boten. Gut möglich, dass aber auch einfach der Vergleich zu Margaret Rutherford gefürchtet wurde, die sich in den 60ern die Rolle auf eine unnachahmliche Art und Weise zu eigen gemacht hatte.
So oder so, Mord im Spiegel war erst das zweite Mal, dass jemand die scharfsinnige Dame fortgeschrittenen Alters in einem Kinofilm spielte. Und das musste dann auch groß gefeiert werden: Die mehrfach für einen Oscar nominierte Angela Lansbury übernahm die Hauptrolle, Elizabeth Taylor, Rock Hudson, Tony Curtis und Kim Novak ergänzten das Ensemble, auch Geraldine Chaplin und Charles Gray waren zu sehen. Viel Prominenz also, vielleicht sogar zu viel. Anders als bei den Poirot, wo die vielen großen Schauspieler dem Fall untergeordnet wurden, hat man hier das Gefühl, dass der Mord an Heather Badcock nur Nebensache ist. Stattdessen verwendet Regisseur Guy Hamilton (Goldfinger, Diamantenfieber) viel Zeit darauf, Taylor und Novak beim Streiten zu zeigen, dazu gibt es große Reden über das Schauspiel und die Verwerflichkeit des Filmgeschäfts. Als Hollywood-Satire hätte das noch reizvoll werden können, doch so weit wollte man dann doch nicht gehen, dafür bleibt hier alles zu brav und zu betulich, man zog es vor, sich im Glanz der Stars zu sonnen, ohne viel dafür tun zu wollen.
Schon in Buchform war Mord im Spiegel – der ironischerweise von Christie Rutherford gewidmet wurde – nicht der stärkste Fall von Miss Marple, die hier aufgrund einer Fußverletzung kaum in Erscheinung tritt. Als Verfilmung ging dann noch einmal ein guter Teil der Spannung verloren. Eine Überzahl an Verdächtigen und weitere geheimnisvolle Morde gehören normalerweise zum Standardrepertoire der Krimis, hier fehlt beides, wirklich mitfiebern oder miträseln will man daher nicht.
Aber auch Lansbury, sonst eine zweifelsfrei honorige Schauspielerin, kann hier nicht so richtig begeistern. Von der resoluten Exzentrikerin wie bei Rutherford ist sie ebenso weit entfernt wie von der reizenden Jungfer, wie sie im Buch beschrieben und später durch Joan Hickson auch verkörpert wurde. Stattdessen ist ihre Miss Marple eine nur wenig sympathische Besserwisserin, die nicht viel zum Fall beizutragen hat, am Ende aber doch die Lösung aus dem Hut zaubert. Und so blieb es dann auch bei dem einen großen Kinoversuch, die Hobbydetektivin fand anschließend nur noch als TV-Figur ein Publikum. Lansbury dürfte das weniger gestört haben, denn vier Jahre nach dem erfolglosen Mord im Spiegel fand sie doch noch mit ihrer Rolle als Jessica Fletcher in Mord ist ihr Hobby späten Krimiruhm.
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