(„Hyakka Ryōran Samurai Gāruzu“ directed by KOBUN, 2010)
Wir schreiben das 22. Jahr der Heisei-Periode, das Tokugawa Shogunat hat die absolute Macht über Japan errungen. Doch damit nicht genug, etwas Böses geht da vor sich – so die feste Überzeugung von Yukimura vom verfeindeten Toyotomi-Clan angehört. Als sie zusammen mit Leibwächterin Matabei die Buou Akademie des Shogunats infiltriert, trifft sie auf den Samurai Muneakira und wird Zeuge, wie ein junges, nacktes Mädchen vom Himmel schwebt. Jubei heißt sie, stiehlt Muneakira einen „Kuss“ und verwandelt sich daraufhin in einen Master-Samurai mit übermenschlichen Kräften. Aber es braucht mehr als das, um die Bedrohung aufzuhalten. Und so wollen immer mehr Frauen einen Kuss von dem ahnungslosen Kämpfer erzwingen, um selbst zu einer Superheldin zu werden.
Stell dir vor, Japan würde heute wieder von einem Shogunat regiert, die Telefone haben Kabel, eine Ninja-Truppe wird von einer Frau in Dienstmädchenkostüm angeführt und die einzige Chance, eine dunkle nationale Bedrohung abzuwenden, ist eine Gruppe von Mädchen, die durch einen Kuss zu Meistersamurais mutieren. Schwachsinn? Oh ja, aber einer mit System. Anders ausgedrückt: Wer mit dem Anspruch an Samurai Girls geht, etwas Sinnvolles mit seiner Zeit anzufangen, der hat Sinn und Zweck dieser Serie nicht verstanden. Schon die seit 2009 erscheinende Light-Novel-Reihe von Akira Suzuki hatte wenig Interesse daran, ein akkurates Bild des Landes zu zeichnen oder eine intelligente Geschichte zu erzählen.
Und das gilt dann auch für die 2010 folgende Animeserie. Im Mittelpunkt dieser martialischen Haremsshow – ein Mann trifft auf ein halbes Dutzend junger Damen – steht dann auch weniger der Kampf an sich, von traditionellen Samuraitugenden ganz zu schweigen. Tatsächlich sind die Actionszenen erstaunlich, wenn nicht sogar enttäuschend selten und kurz. Wenn die Kriegerinnen zu den Waffen greifen, wird es dafür recht unterhaltsam, denn dann ähnelt Samurai Girls klassischen Magical-Girl-Shows à la Sailor Moon, nur eben pseudohistorisch angehaucht und herrlich absurd. Allgemein wird der Humor hier großgeschrieben, ernst nimmt sich die TV-Produktion zu keiner Zeit. Das Ergebnis ist manchmal sogar tatsächlich lustig, denn einige Einfälle sind von einer unbeschreiblichen Abwegigkeit. An anderen Stellen greift man jedoch auch auf alberne Gags typisch japanischer Machart zurück, wie man sie schon (zu) oft gesehen hat.
Zweites großes Merkmal von Samurai Girls ist der großzügige Umgang mit Erotik. Wie beim Animationsstudio Arms (Ikkitousen, Queen’s Blade) üblich, gibt es hier eine Menge Fanservice in Form von Panty Shots und nackter Haut, ohne beides irgendwie inhaltlich rechtfertigen zu wollen. Ob wie bei Matabei die Kleidung von Haus aus ein bisschen knapp ausgefallen ist oder den anderen immer wieder – aus Versehen natürlich – der Rock hochrutscht, Regisseur KOBUN lässt keine Gelegenheit aus, sein männliches Zielpublikum mit weiblichen Reizen beglücken zu wollen.
Aber selbst wer damit nicht ganz so viel anfangen kann, bekommt einiges fürs Auge geboten: Die Alternate-Reality-Serie verwendet einen recht ungewöhnlichen Grafikstil, der sich an Tuschezeichnungen orientiert und gerade in Verbindung mit den traditionellen Schauplätzen fantastisch aussieht. Immer wieder sind auch große Tintenflecken auf dem Bild, so als hätte der Zeichner welche auf der Kamera verschüttet. Lobenswert ist übrigens, dass der deutsche Anbieter der Serie sich die Mühe machte, Übersetzungen von Schriften direkt ins Bild zu integrieren, anstatt sie à la Speed Grapher lieblos irgendwo reinzusetzen. Über das Mittelmaß ragt Samurai Girls zwar dennoch nicht hinaus, dafür fehlt es der Handlung schlicht an Abwechslung. Im Vergleich zum Gros des Ecchi-Angebots – so der Name für frivole Anime – schlagen sich die kämpferischen Mädchen aber mehr als wacker. Wem Staffel eins gefallen hat, darf deshalb auch bedenkenlos zur zweiten greifen, die unter dem Titel Samurai Bride erhältlich ist.
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