(„The Greatest“ directed by Shana Feste, 2009)
Es ist, als wären sie selbst gestorben: Als ihr ältester Sohn Bennet (Aaron Johnson) ums Leben kommt, können Allen (Pierce Brosnan) und Grace Brewer (Susan Sarandon) den Schicksalsschlag kaum verarbeiten. Während sie und Sohn Ryan (Johnny Simmons) sich in ihrer Trauer immer mehr entfremden, taucht Bennets Freundin Rose (Carey Mulligan) auf und verkündet, dass sie von ihm schwanger ist. Diese Nachricht stößt nicht bei allen auf Gegenliebe, bietet der kaputten Familie aber die Möglichkeit, sich endlich gemeinsam dem Thema zu stellen.
Ein Kind zu verlieren, gehört zu den schrecklichsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Behutsam nimmt sich die Regisseurin und Drehbuchautorin Shana Feste (Remake von Endless Love) des Themas an und präsentiert verschiedene Wege, mit diesem Verlust umzugehen. Die Reaktionen von Vater und Sohn ähneln dabei noch am meisten, denn beide schieben die Trauer von sich weg. Während Allen sein Seelenheil in der Zerstreuung sucht und sich weigert, über Bennet zu sprechen, hilft sich Ryan durch Drogen und den Versuch, seinen Bruder schlechtzureden.
Ganz anders die beiden Frauen, die alles dafür tun, um die Erinnerung an Bennet am Leben zu erhalten. Rose, die den Verstorbenen nur kurz kannte, will alles über ihn erfahren, zieht bei den Brewers ein, hält jede Information in einem Babybuch fest. Grace hingegen kann der positiven Einstellung der Jugendlichen nichts abgewinnen, stattdessen ist sie besessen von dem Versuch, die letzten 17 Minuten im Leben ihres Sohns zu rekonstruieren. Dafür wacht sie jeden Tag am Krankenbett des anderen Unfallteilnehmers, wartet sehnsüchtig darauf, dass dieser aus dem Koma erwacht und ihr erzählt, was genau vor Bennet Tod passierte.
Susan Sarandon als haltlose Mutter hat dann auch die dankbarste der vier Hauptrollen, die sie wie zu erwarten mit Bravour erfüllt. Überhaupt ist an den Leistungen des hochkarätig besetzten Ensembles nur wenig auszusetzen, aus dem angebotenen Material holen sie das meiste heraus. The Greatest hat jedoch das Problem, dass eben jenes Material insgesamt nur mäßig spannend ist. Viel mehr als die unterschiedlichen Trauermechanismen wurde den Charakteren nicht mitgegeben, abgesehen von einzelnen bewegenden Szenen blieb man hier doch recht leblos. Vor allem die Gutmenschen Rose und Bennet sind schon sehr dünn gezeichnet und erwecken kaum den Eindruck, dass es sich um tatsächliche Menschen handelt.
Auch sonst ist das mit der Glaubwürdigkeit so eine Sache. Schon die Unfallssituation ist sehr konstruiert: Bennet besteht darauf, mitten auf der Straße zu halten, um Rose seine Liebe zu gestehen. Und auch später gibt es immer wieder Situationen, Handlungen oder Dialoge, bei denen zu deutlich ist, dass sie einem Drehbuch entstammen, mit dem wahren Leben hat das nur noch wenig zu tun. Dass etwas unnötig oft mit Flashbacks gearbeitet wird, anstatt Vergangenes in Dialogen aufzuarbeiten, wie es natürlich gewesen wäre, verstärkt den Eindruck der Künstlichkeit. Angesichts der beteiligten Schauspieler wäre daher insgesamt noch deutlich mehr drin gewesen, über das Mittelmaß reicht The Greatest so nicht hinaus. Immerhin hielt man sich mit dem Kitsch zurück, nur zum Schluss hin wird wenig überraschend alles auf ein Happy End zurechtgebogen. Wer die Schauspieler schätzt, bei Schicksalsschlägen mitfiebert oder sogar einen persönlichen Bezug zu dem Thema hat, kann trotz der Kritikpunkte daher die Wiederveröffentlichung des Films zum Anlass nehmen, zusammen mit den Brewers etwas Trauerarbeit zu leisten und an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch selbst Tränen zu vergießen.
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