(„Evil under the Sun“ directed by Guy Hamilton, 1982)
Ein eher unschönes Thema ist der Anlass für Hercule Poirot (Peter Ustinov), einige Tage in einem Luxushotel auf einer idyllischen Insel in der Adria zu verbringen: Diebstahl. Diesen zumindest wirft der Millionär Horace Blatt (Colin Blakely) seiner Affäre Arlena Marshall (Diana Rigg) vor. Lange waren er und die beliebte Schauspielerin zwar nicht zusammen, doch lange genug für die Männerfresserin, sich einen wertvollen Diamanten unter den Nagel zu reißen. Als der belgische Meisterdetektiv im Hotel ankommt, muss er feststellen, dass nicht nur Blatt, sondern so ziemlich jeder Gast ein Hühnchen mit dem selbstsüchtigen Star zu rupfen hatte. Und einer davon geht dafür sogar zum Äußersten: Die schöne Diva wird erwürgt am Strand gefunden, es liegt nun an Poirot, den Schuldigen zu finden.
Eine Parade internationaler Filmstars schlägt sich vor malerischen Kulissen die Köpfe ein, für mindestens einen von ihnen endet das tödlich – in den 70ern und 80ern gab es eine Reihe Versuche, die Krimis von Agatha Christie mithilfe eines namhaften Ensembles auf die große Leinwand zu bringen. Und auch Das Böse unter der Sonne setzte diese gute Tradition fort, wenngleich im direkten Vergleich der Streifen von 1982 schon bescheidener besetzt war als etwa Mord im Orientexpress oder Tod auf dem Nil. Kenner des Letzteren werden zumindest drei der Gesichter schon einmal gesehen haben. Nicht nur, dass Peter Ustinov erneut in die Rolle des bekannten Poirots schlüpfte, auch Jane Birkin und Maggie Smith spielten wieder mit – allerdings in völlig anderen Rollen. Denis Quilley und Colin Blakely wiederum waren schon bei der mörderischen Zugfahrt dabei gewesen, auch sie spielten dort jemand anderes.
Nicht nur aufgrund dieser kuriosen Doppelbesetzungen wird einem in Das Böse unter der Sonne manches doch sehr bekannt vorkommen. Ein abgelegener, in sich geschlossener Schauplatz, eine Überzahl an Verdächtigen, die sich wie der Ermittler auch zufällig am Ort des Verbrechens aufhalten, die Suche nach Motiven und Alibis, Das Böse unter der Sonne ist ein klassischer Whoddunit, der wie die meisten der Christie-Verfilmungen recht großzügig in punkto Plausibilität umgeht. Zwar wird hier zum Ende alles erklärt, nachvollziehbar ist der Tathergang dennoch nicht, will es auch gar nicht sein. Tatsächlich liegt ein Teil des Spaßes nicht nur darin, bei der Mördersuche mitzurätseln, sondern auch sich von der völlig an den Haaren herbeigezogenen Auflösung überfahren zu lassen, die selbst erfahrene Hobbyschnüffler in der Form kaum vorhersehen werden.
Wenn es etwas gibt, das den Krimi von den anderen unterscheidet, dann ist das besagter Punkt von Motiven und Alibis. In Das Böse unter der Sonne wird erst gar nicht so getan, als gäbe es unbeteiligte Charaktere, jeder hasste Marshall, daran lässt der Film keinen Zweifel. Gibt es bei den Tatverdächtigen normalerweise eine Mischung aus persönlich und finanziell bedingten Motiven, sind sie hier fast alle emotional begründet, wenn auch manchmal übertrieben. Während so schon nach wenigen Minuten deutlich wird, dass bis auf Poirot alle einen Grund zur Ermordung hatten, so ist die Frage nach der Möglichkeit deutlich schwieriger, denn niemand – so scheint es zumindest – kann es getan haben. Ein jeder hat ein Alibi, mancher sogar ohne es zu wissen.
Abgesehen von dieser Verschiebung gehört die Adaption des gleichnamigen Romans von 1941 aber zu den inhaltlich weniger interessanten Christie-Verfilmungen. Von Anfang an ist hier klar, wer das Mordopfer sein wird, das Auffinden der Leiche – sonst ein Überraschungs- und damit Spannungsmoment – wird hier früh vorweggenommen. Dennoch dauert es rund 45 Minuten, bis es soweit ist, bis dahin lässt sich Regisseur Guy Hamilton reichlich Zeit, das Verhältnis zwischen Marshall und den anderen Figuren zu beleuchten. Das hatte er zwei Jahre zuvor schon bei Mord im Spiegel, einer weiteren Adaption eines Christie-Romans, so gehandhabt, damals mit einem nur wenig überzeugenden Ergebnis.
Dass Das Böse unter der Sonne deutlich gelungener ist, liegt zum einen an der folgenden Konzentration auf das Wesentliche: Nach dem längeren Auftakt ist die Lösung des Mords tatsächlich Chefsache, die Manierismen der Charaktere nehmen mit dem Fund der Leiche Marshalls deutlich ab. Vor allem aber baute Anthony Schaffer, der schon bei Tod auf dem Nil das Drehbuch schrieb, zusammen mit seinem Ko-Autor Barry Sandler diverse humorvolle Elemente ein. Waren die Streitigkeiten zwischen Elizabeth Taylor und Kim Novak in der Miss-Marple-Geschichte aufgesetzt und ermüdend, sorgen die Sprachduelle zwischen Diana Rigg (Mit Schirm, Charme & Melone) und Maggie Smith für jede Menge Erheiterung, letztere darf als Hobbyschnüfflerin regelmäßig unsinnige Theorien von sich geben. Und auch die anderen farbenfrohen Charaktere, nicht zuletzt Ustinov als brillanter, wenn auch leicht lächerlicher Meisterdetektiv, unterbrechen das grausige Geschehen mit launig-locker-leichten Comedy-Häppchen.
Manchen wird das sicher schon zuviel des Guten sein, man nähert sich hier streckenwesie schon stark der Komödie an. Wer einen reinen Krimi bevorzugt, fährt mit dem Orientexpress deshalb deutlich besser. Wer aber auch bei den Miss-Marple-Filmen die unterhaltungsorientierten Interpretationen von Margaret Rutherford aus den 60ern den ernsten BBC-Fassungen der 80er vorzog, der findet hier das entsprechende Pendant rund um den scharfsinnigen Belgier mit den kleinen grauen Zellen.
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