In the Name of the Son
© 2015 Neue Donau Film e.k

In the Name of the Son – Sprich dein Gebet

(„Au Nom Du Fils“ directed by Vincent Lannoo, 2012)

In the Name of the Son
„In the Name of the Son“ erscheint am 20. März auf DVD und Blu-ray

Bis vor Kurzem war für Elisabeth (Astrid Whettnall) die Welt noch in Ordnung: Die gläubige Christin ist glücklich verheiratet, hat zwei gesunde Kinder und gibt in ihrer beliebten Radiosendung anderen Menschen Halt. Doch den verliert sie selbst, als ihr Mann bei einem Unfall ums Leben kommt und sie in Folge diverse unschöne Geheimnisse ihrer Familie erfährt. Vor allem eins schockiert sie: Ihr ältester Sohn Jean-Charles (Zacharie Chasseriaud) behauptet, sich in den jungen italienischen Priester Achille (Achille Ridolfi) verliebt zu haben. Außer sich vor Empörung wendet sie sich an die Kirche, um den pädophilen Geistlichen zur Verantwortung zu ziehen. Daran hat man jedoch nur wenig Interesse, möchte lieber alles unter den Teppich kehren, damit die Öffentlichkeit nichts davon mitbekommt. Und so beschließt Elisabeth, sich selbst der Sache anzunehmen.

Wenn das heikle Thema Kindesmissbrauch seinen Weg in einen Film findet, dann oft in Form eines Dramas (Haftbefehl, Das Fest), seltener auch als Thriller (Die Behandlung). Auch In the Name of the Son ist in seinem Herzen eine Tragödie, jedoch eine, die ihren Schmerz nur selten in Tränen ausdrückt, sondern in Wut und beißenden Spott. Traurige Momente gibt es dabei genug, etwa wenn der unter seiner sich abzeichnenden Homosexualität leidende Jean-Charles mit dem Leben hadert und dabei weder in der Kirche noch bei seiner Mutter Unterstützung findet. Doch zeitgleich dreht Regisseur und Ko-Autor Vincent Lannoo die Geschichte genüsslich ins Absurde, lässt gläubige Männer in einer herrlichen und an Monty Python erinnernden Szene Jagd auf Osama-Bin-Laden-Aufsteller machen.

Martialisch geht es später auch weiter, wenn Elisabeth in Selbstjustiz pädophile Geistliche verfolgt und um die Ecke bringt. Je grotesker umso besser scheint hier das Motto zu sein, und auch vor Blut und Gewalt scheut Lannoo nicht zurück. Dass es hierbei die „richtigen“ trifft lässt In the Name of the Son zu einem bitterbösen Guilty Pleasure à la God Bless America werden. Kein Wunder also, dass der belgisch-französische Beitrag ebenso wie sein amerikanischer Kollege seine Deutschland-Premiere im Rahmen des Fantasy Filmfests fand. Nur dass hier eben keine Starlets oder menschenunwürdige Medienshows am Pranger stehen, sondern die mitunter ebenso menschenunwürdig handelnde Kirche.

Für Kirchenkritiker ist ein solcher Film natürlich Wasser auf den Mühlen. Die religiösen Protagonisten werden hier oft als machtversessene Verbrecher dargestellt, mindestens aber als lächerliche Spinner. Hinzu kommen die üblichen Kritikpunkte an der Willkürlichkeit Gottes („Wie kann Gott Katastrophen zulassen?“) oder der unwissenschaftlichen Weltsicht. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Religion findet hier jedoch keine statt. Allenfalls der sanftmütige Achille darf beim Publikum Sympathiepunkte sammeln, setzt sich für andere Menschen ein und auch für den Austausch mit anderen Religionen und Kulturen. Doch die nie so genau definierte Beziehung zwischen ihm und Jean-Charles macht es schwierig, ihn zu einem tatsächlichen Vorbild zu machen.

Aber vielleicht war genau das der Punkt, in der Welt von In the Name of the Son gibt es keine Vorbilder mehr. Keinen Halt. Wenn sich Elisabeth durch das Land ballert und eine Spur der Verwüstung hinter sich zurücklässt, dann eben auch deshalb, weil nichts mehr übrig zu sein scheint, an das man noch glauben kann. War Nietzsche seinerzeit noch der Verkünder von Gottes Tod, so begräbt Lannoo die Menschheit gleich mit dazu. Und so bleibt einem selbst in den vielen verdammt lustigen Szenen das Lachen im Hals stecken. Ein bisschen schwierig ist dieser nihilistische Ansatz schon, denn über die Anklage hinaus, den lauten Schrei, bleibt nicht viel von In the Name of the Son übrig. Keine neue Erkenntnis, keine Moral, kein Ausweg. Unterhaltsam ist der Film natürlich auch so, vor allem für alle Liebhaber bös-blutiger Satiren. Aber mehr eben auch nicht.



(Anzeige)

Mal trauriges Familiendrama, dann wieder bösartige Satire attackiert „In the Name of the Son“ voller Genuss die Kirche und ihre geistlichen Führer. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Religion bietet der Film jedoch nicht, dafür sind gerade die Gläubigen zu einseitig porträtiert. Unterhaltsam ist die Genremischung trotz allem, selbst wenn die nihilistische Haltung einem oft das Lachen im Hals stecken lässt.
7
von 10