(„Leaving Las Vegas“ directed by Mike Figgis, 1995)
Schon länger befindet sich der Hollywood-Drehbuchautor Ben Sanderson (Nicolas Cage) in einer fatalen Abwärtsspirale: Seine Frau hat ihn verlassen, dafür hat der Alkohol ihn fest im Griff. Als er auch noch seine Arbeit verliert, beschließt er, alles zu verkaufen, nach Las Vegas zu fahren und sich dort zu Tode zu trinken. Kaum dort angekommen, fährt er beinahe die Prostituierte Sera (Elisabeth Shue) über den Haufen. Doch nach dem holprigen Start kommen sich die beiden näher, verbringen viel Zeit miteinander und entwickeln Gefühle füreinander. Von seinem Plan will sich Ben trotz allem aber nicht abbringen lassen.
„Ich weiß nicht, ob meine Frau mich verlassen hat, weil ich trinke, oder ob ich trinke, weil meine Frau mich verlassen hat.“
Ein Satz, der mitten im Raum steht und doch zusammenfasst, worum es Ben geht, was von ihm übrig geblieben ist. Die Vorgeschichte erfahren wir nicht, nicht, wann Ben mit dem Trinken angefangen hat, warum er eigentlich trinkt. Auch das Leben von Sera bleibt verborgen. Nur dass sie auf dem Strich geht, wird verraten, dass sie sich von ihrem Zuhälter schlagen lässt und eine schicke Wohnung hat. Eine Prostituierte mit Herz? Könnte man bei einem hochkarätig besetzten Hollywoodfilm erwarten. Doch das Drama will keine märchenhafte Romanze sein, kein Pretty Woman. Stattdessen ist Leaving Las Vegas die Geschichte zweier Menschen, die im Leben verloren und im jeweils anderen Zuneigung gefunden haben. Vielleicht auch Trost. Aber keinen Halt.
Das Leben ist nicht immer schön, ein Happy End nicht garantiert – daran lässt Regisseur und Drehbuchautor Mike Figgis keinen Zweifel. Umrahmt von der Glitzerwelt Las Vegas wirft er einen Blick auf zwei Menschen im Abgrund, aus dem zumindest Ben längst nicht mehr heraus will. Oder kann. Dieser Kontrast zwischen den farbenprächtigen Kulissen und dem düsteren Inhalt verwirrt anfangs, ist aber sehr effektiv. Gerade weil hier Äußeres und Inneres so stark auseinanderklaffen, verstärkt sich das Gefühl, dass Ben irgendwann, irgendwo, irgendwie in seinem Leben verloren gegangen ist. Dass es keine Verbindung mehr gibt zu dem, was um ihn herum geschieht.
Weniger geglückt ist, dass auch die musikalische Untermalung sehr unpassend gewählt wurde. Gediegener Jazz, teilweise von Sting gesungen, das mag für Szenen in einem Coffee Shop noch geeignet sein, jedoch weniger für die Geschichte eines angekündigten Todes. Da der Soundtrack auch recht prominent platziert wurde, neigt er dazu, das Geschehen zu sehr zu dominieren und einen so unnötig aus der harschen Geschichte herauszureißen.
Dass man dieser dennoch zuhören und -sehen mag, trägt vor allem einen Namen: Nicolas Cage. Heute eher für seine hohen Steuerschulden bekannt und die daraus resultierende häufige Teilnahme an belanglosen (Tokarev), wenn nicht gar lächerlichen Filmen (Left Behind), war er seinerzeit ein hervorragender Charakterdarsteller. In seiner zurecht oscarprämierten Darstellung eines hoffnungslosen Alkoholikers brillierte er sowohl in den großen aufbrausenden Szenen, als auch den leisen Momenten, in die sich immer wieder auch ein komisch-trauriger Galgenhumor mischt. Und auch die später etwas in Vergessenheit geratene Elisabeth Shue durfte sich mit ihrem fein nuancierten Spiel von ihrer besten Seite zeigen. Auch wenn einen der Film nie mit der erwarteten emotionalen Wucht trifft – dafür bleibt er dann doch zu künstlich und distanziert, auch aufgrund der unnötigen Interviewsituationen – so ist Leaving Las Vegas zwanzig Jahre später noch immer ein Beweis großer Schauspielkunst, der einen mit einer fast erschreckenden Beiläufigkeit von dem Ende eines Lebens erzählt.
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