Maps to the Stars
© 2015 MFA+

Maps to the Stars

(„Maps to the Stars“ directed by David Cronenberg, 2014)

Maps to the Stars
„Maps to the Stars“ ist seit 3. März auf DVD und Blu-ray erhältlich

Stafford Weiss (John Cusack) hat derzeit wirklich alle Hände voll zu tun. Nicht nur dass sein 13-jähriger Sohn Benjie (Evan Bird) nach einem längeren Entzug mit der Fortsetzung der Komödie Bad Babysitter zurück auf die Erfolgsspur will, als Psychotherapeut muss er sich auch um eine Reihe kaputter, erwachsener Schauspieler kümmern. Eine davon, Havana (Julianne Moore), sehnt sich ebenfalls nach einem Comeback und hat dafür bereits ein Projekt im Auge. Pikant daran: Bei Stolen Waters handelt es sich um ein Remake, Havana möchte ausgerechnet die Rolle spielen, die ihre Mutter (Sarah Gadon) seinerzeit verkörperte und unter deren Misshandlungen Havana bis heute leidet. Ein Glück, dass der Hollywood-Star seit Kurzem eine neue Assistentin hat: Agatha (Mia Wasikowska) ist ruhig, fügsam, hat am ganzen Körper Verbrennungen und ihre eigenen Gründe, warum sie plötzlich in der Traumfabrik auftaucht.

Lange hat der berüchtigte kanadische Regisseur David Cronenberg (Crash, A History of Violence) darum kämpfen müssen, Maps to the Stars umsetzen zu können. Ein wirkliches Wunder ist das nicht: Böse, richtig böse wird bei der Verfilmung des Romans „Dead Stars“ von Bruce Wagner über Hollywood hergezogen, Klischees bis zur Schmerzgrenze übersteigert, Gift und Galle gespuckt. Dass sich die Begeisterung der Studiobosse hierbei in Grenzen hält, war also zu erwarten. Doch das ist auch so ziemlich das einzig Erwartbare bei einem Film, dem offensichtlich alles egal ist: Figuren, Zuschauer, Genrezuordnung. Mal komisch, dann wieder verstörend, dürfte sich so mancher im Anschluss gefragt haben, was genau er da eigentlich gerade gesehen hat.

Und dieses nicht immer wohlige Gefühl der Verwirrung vermittelt Maps to the Stars von Beginn an. Mehrere Handlungsstränge werden hier versponnen – die der Familie Weiss, die von Havanna und die von Agatha –, ohne einen Zusammenhang zu verraten. Erst nach und nach werden die Hintergründe geliefert, etwa woher die Verbrennungen Agathas stammen oder was die Halluzinationen Havanas zu bedeuten haben. An seltsamen eingebildeten Erscheinungen leidet hier ohnehin fast jeder, sei es aufgrund Alkohol- und Drogenmissbrauch, nicht verarbeiteter Traumata oder auch geistiger Krankheit.

Tatsächlich ist es in Hollywood normal, nicht normal zu sein, zumindest wenn man den Film als Grundlage nimmt. Das geht so weit, dass man hier nur selten das Gefühl hat, Menschen zuzuschauen, sondern mehr einer Ansammlung von Neurosen, Obsessionen und seelischer Abgründe. Lediglich der von Robert Pattinson mit angenehmer Zurückhaltung gespielte Chauffeur Jerome, der selbst von einer Karriere als Schauspieler träumt, bleibt hier als Charakter nachvollziehbar. Der Rest? Wurde von der Filmmaschinerie und den eigenen Erfolgen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

On my school notebooks
On my desk and on the trees
On the sands of snow
I write your name

Immer wieder zitiert Agatha aus dem Gedicht. „Liberty“ heißt es und wurde 1942 vom französischen Surrealisten Paul Éluard während der Besetzung Frankreichs geschrieben. Doch von Freiheit ist im Leben der Träumer nichts mehr zu spüren. Unterhaltsam ist das, oft auch eine faszinierende Erfahrung, die man so rasch nicht wieder vergessen wird. Ob nun Julianne Moore als hysterische Diva, John Cusack als aalglatter Therapeut oder die mit Verbrennungen versehene Mia Wasikowska, sie alle zeigen viel Mut zur Hässlichkeit und Selbstdemontage. Selbst Evan Bird in seiner Rolle als Kinderstar liefert den Beweis, dass man Kinder sehr wohl abscheulich finden darf, manchmal sogar muss. Gleichzeitig ist das aber so übertrieben, dass man kaum Anteilnahme an den Figuren zeigen mag.

Wäre Maps to the Stars eine reine Satire, die schrille Oberflächlichkeit würde kaum weiter stören. Doch immer wieder drängt sich der Eindruck auf, dass der Film mehr sein will als das. Dass es gar nicht zwangsweise um Hollywood geht, sondern um das Zwischenmenschliche. Um kaputte Familien. Um Träume, die immer weiter verzerren und mutieren, bis am Ende nur eine bizarre Hülle übrig bleibt. Das jedoch ist weniger effektiv bei einem Film, der unentschlossen zwischen Drama und Satire hin und her wandelt, später auch dem Horrorgenre einen Besuch abstattet. Von dem man bis zum Schluss gar nicht weiß, was er eigentlich will. Doch trotz des nicht immer ganz befriedigenden Inhalts, dürfen sich Liebhaber der Abgründigkeit darüber freuen, dass Cronenberg sein Langzeitprojekt doch noch abschließen konnte. Ende gut, alles gut? Das vielleicht nicht, dafür ist im hässlichen Hollywood der Verfall schon zu fortgeschritten. Aber es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, mit der Gewissheit im Hinterkopf, dass man nur einen Tastendruck davon entfernt ist, der Glitzerhölle wieder zu entkommen.



(Anzeige)

Hollywood, der Ort der Träume? Nicht in „Maps to the Stars“, wo Hoffnungen und Sehnsüchte verstümmelt und zu hässlichen Abbildern ihrer Selbst werden. Manchmal ist der Film aufgrund seiner Unentschlossenheit etwas unbefriedigend, insgesamt fasziniert jedoch der Blick in die bizarren Abgründe der Stars.
7
von 10