(„Pride“ directed by Matthew Warchus, 2014)
London 1984: Eigentlich wollte der 20-jährige Joe (George MacKay) aus der Provinz Englands nur mal so ein bisschen bei der Homosexuellendemonstration „Gay Pride“ mitlaufen, macht dabei aber die Bekanntschaft der beiden Aktivisten Mike (Joseph Gilgun) und Mark (Ben Schnetzer). Lautstark und auffällig setzen sie sich für die Stärkung ihrer Rechte ein und haben dabei auch ein Ohr für die Nöte der anderen. Unter dem wenig griffigen Motto „Lesbians and Gays Support the Miners“ (LGSM) wollen sie die Minenarbeiter unterstützen, die seit Streikbeginn unter Dauerbeschuss durch Politik und Medien stehen. Doch die Gewerkschaft verzichtet dankend auf die Hilfe von einer Reihe krakeelender Paradiesvögel. Erst als LGSM ein kleines Dorf in Südwales findet, das durch den Streik vorm Nichts steht, finden sie einen Abnehmer – aber auch dort formiert sich Widerstand gegen die ungewöhnlichen Wohltäter.
Mit eiserner Hand ohne jegliches Mitgefühl regierte Margret Thatcher in den 80er Jahren. Während die einen heute noch davon schwärmen, wie sie das kriselnde England mit harten Maßnahmen wieder zukunftsfähig machte, erinnern sich Linke und Künstler mit Grauen an die unbarmherzige Reformerin zurück. Um gegen die eiserne Lady, wie auch in dem gleichnamigen Biopic genannt wurde, bestehen zu können, brauchte es da schon Allianz. Und von einer der ungewöhnlichsten erzählt Pride, dessen so unwahrscheinlich erscheinende Geschichte doch auf wahren Begebenheiten beruht. Tatsächlich gab es die Aktivisten Mike und Mark wirklich, die zusammen mit anderen Gleichgesinnten Geld für die Minenarbeiter in Not sammelten, um sie bei ihrem Kampf zu unterstützen.
Ein politischer Film ist Pride dennoch nicht, Thatcher wird nur beiläufig erwähnt, die genauen Umstände des Streiks kaum erklärt. Es wird ein bisschen über die Willkür der Polizisten und den rüden Ton der Boulevardblätter geschimpft, ansonsten aber steht das Aufeinandertreffen der mehrköpfigen LGSM und der Bevölkerung des kleinen Dorfes im Vordergrund. Konservative Arbeiter aus der Provinz treffen auf sorgfältig gestylte Idealisten aus der Großstadt – dass es hier zu einer Reihe von vergnüglichen Culture-Clash-Momenten kommt, dürfte niemanden überraschen, so wie Pride vom dramaturgischen Verlauf her allgemein kein wirklich origineller Film ist. Aber er ist witzig, unterhält vom Anfang bis zum Schluss und ist dabei ungemein warmherzig.
Spätestens wenn zum Schluss „There Is Power In A Union“ vom englischen Protestmusiker Billy Bragg gespielt wird, und sie wirklich Arm in Arm laufen – die provinziellen Arbeiter und die schillernden Schwulenaktivisten, die ältlichen Dorfbewohner und die Punkerlesbe –, wird klar, dass Pride eben kein Film gegen etwas ist, sondern für etwas: für mehr Miteinander, für mehr Solidarität, für mehr Mitgefühl. Dass hierbei manchmal etwas auf die Tränendrüse gedrückt wird, ja das stimmt. Es geht aber nie so weit, dass man sich wirklich dem Kitsch hingibt oder der aufdringlichen Rührseligkeit. In erster Linie ist Pride nämlich kein Drama, sondern eine Komödie, die von ihren Kontrasten lebt. Und von dem umwerfenden Figurensammelsurium: Während die englischen Altstars Bill Nighy und Imelda Staunton gewohnt überzeugen, überrascht Dominic West als flamboyante Partyqueen. Und von den diversen Nachwuchsschauspielern (George MacKay, Joseph Gilgun, Faye Marsay) wird man in Zukunft hoffentlich noch mehr sehen und hören.
Etwas ernster wird es zwischenzeitlich dann aber doch, wenn auch andere relevante Themen aus der Welt der Schwulen und Lesben angesprochen werden. Toleranz und Unterdrückung ist dabei natürlich das prominenteste, aber auch AIDS, die Schwierigkeiten eines Coming-outs, Einsamkeit, Entfremdung mit der Familie, die unterschiedlichen Lebensweisen innerhalb der Szene, aber auch dass der Kampf um die Menschenrechte sich nie auf eine bestimmte Gruppe der Gesellschaft beschränken darf. Und das ist eine Erkenntnis, die auch mehr als 30 Jahre nach dem historischen Vorbild noch immer Bestand hat.
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