Small Island
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Small Island

(„Small Island“ directed by John Alexander, 2009)

Small Island
„Small Island“ ist seit 16. Februar auf DVD erhältlich

Zwei Frauen, ein Schicksal – während die Jamaikanerin Hortense (Naomie Harris) davon träumt, in England als Lehrerin zu arbeiten, würde Queenie (Ruth Wilson) alles dafür tun, um nicht auf der heimischen Schweinefarm zu landen. Die Lösung ist in beiden Fällen identisch: Vernunfthochzeit. Hortense heiratet Royal-Air-Force-Piloten Gilbert (David Oyelowo), um ihm so ins Ausland zu folgen, Queenie ehelicht den vermögenden Banker Bernard (Benedict Cumberbatch). Doch noch eine weitere Sache eint die beiden, und die heißt Michael (Ashley Walters). Denn der ist es, für den die Herzen der zwei Frauen in Wirklichkeit schlagen.

Dramen, die zur Zeit des Zweiten Weltkrieges spielen, sind nicht gerade eine Seltenheit. Wenn sich die BBC des Themas annimmt, ist das erst recht keine Überraschung, schließlich ist das Interesse des englischen Fernsehsenders an historischen Stoffen kein Geheimnis. Und doch ist Small Island kein Kriegsdrama im eigentlichen Sinn. Tatsächlich spielen die kriegerischen Auseinandersetzungen kaum eine Rolle, dienen lediglich als Aufhänger, um die Männer der Geschichte nach Belieben einzuführen und wieder abzuziehen.

Denn hier sind es die Frauen, die hier im Mittelpunkt stehen. Erstaunlich zeitgemäß werden sie nicht als bloße Heimchen am Herd dargestellt, wie es Mitte des 20. Jahrhunderts noch deutlich häufiger war, sondern als selbstbewusste und eigenwillige Persönlichkeiten. Sie mögen Männer geheiratet haben, um ihr Leben zu verbessern, doch war eben nicht das Bedürfnis nach Fürsorge der treibende Punkt, sondern jenes nach Unabhängigkeit. Dafür nimmt es die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Andrea Levy auch in Kauf, die Protagonistinnen nicht immer im positiven Licht zu zeigen.

Schon Queenie zeigt anfangs berechnende Züge, wenn sie den gutmütigen Bernard für ihre Zwecke ausnutzt, wandelt sich im Lauf des knapp drei Stunden langen Zweiteilers aber in eine hilfsbereite und selbstlose junge Frau. Auch bei Hortense wird es eine Entwicklung und Bernard wird es eine Entwicklung geben: Die Jamaikanerin sammelt als überhebliche und selbstgerechte Schreckschraube nicht gerade Sympathiepunkte. Erst zum Schluss, als sie sich mit der Realität versöhnt hat, darf sie dem Zuschauer näher ans Herz rücken. Bernard wiederum wird zwischenzeitlich zum groben Rassisten, was nicht wirklich zu seiner ersten Charakterisierung passt, um dann – aus heiterem Himmel – wieder einen Sinneswandel durchzumachen.

Glaubwürdig ist das nicht, aber dafür symptomatisch für das Geschichtsepos: Subtilität und feine Zwischentöne, das interessiert Regisseur John Alexander eher weniger. Neben der sehr plakativen Herangehensweise an die Figuren verwendet dieser auch in zwei anderen Punkten den Holzhammer: Die Musik ist schon sehr dramatisch ausgefallen, begräbt jeden Anflug von leiser Anteilnahme unter sich. Besonders ärgerlich aber ist der unnötig eingeführte Erzähler, der sämtliche Abschnitte kommentiert und in leicht verdauliche Häppchen zusammenfasst. Ein bisschen mehr Souveränität und Eigenleistung wäre dem Zuschauer da durchaus zuzumuten gewesen. So aber wird er immer wieder aus dem Eindruck gerissen, selbst in der Geschichte mitzulaufen.

Und doch bietet Small Island viele interessante Aspekte. So scheut sich der Film nicht davor, Rassismus im großen Stil zu thematisieren und damit indirekt auch den früheren Kolonialismus Englands anzugreifen. Warum zu einem Vaterland aufblicken und dafür im Krieg kämpfen, das dich gar nicht um sich haben will? Diese Frage werden sich nicht nur die farbigen Soldaten stellen, auch das Publikum wird verlegen nach einer Antwort suchen. Vor allem aber ist die Ausstattung, wie bei der BBC üblich, von großer Qualität und lässt so auf sehr stimmungsvolle Weise eine Periode wiederaufleben, die von Umbruch und großen Unruhen geprägt war.

Sehenswert ist die TV-Produktion aber auch wegen ihrer prominenten Besetzung: Naomie Harris (28 Days Later, Mandela: Long Walk to Freedom), Ruth Wilson (Luther), Benedict Cumberbatch (Sherlock, The Imitation Game), David Oyelowo (Selma), ein solches Ensemble muss man erst einmal zusammenbekommen. Die liefern hier zwar vielleicht nicht die Leistungen ihres Lebens ab – dafür geben die Rollen dann doch nicht genug her –, sind aber doch gut genug, um dem Überdramatischen zum Trotz Small Island zu einem soliden Zeitvertreib zu machen.



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Auch wenn „Small Island“ während des zweiten Weltkrieges spielt, im Mittelpunkt steht der Kampf zweier Frauen um ihre Unabhängigkeit sowie der Rassismus in England Mitte des 20. Jahrhunderts. Das ist fabelhaft ausgestattet und prominent besetzt, bietet auch viele interessante Aspekte, wird oft aber zu sehr mit dem Holzhammer erzählt.
6
von 10