(„52 Tuesdays“ directed by Sophie Hyde, 2013)
Diese Nachricht kommt für die 16-jährige Billie (Tilda Cobham-Hervey) gleich doppelt schockierend: Ihre Mutter Jane (Del Herbert-Jane), zu der sie ein inniges Verhältnis hat, eröffnet ihr, dass sie in Zukunft lieber James sein möchte und eine Geschlechtsumwandlung anstrebt. Und weil sie während dieses Prozesses viel Zeit für sich braucht, soll Billie zu ihrem Vater ziehen. Ein Jahr lang, so lautet der Plan. Bevor es so weit ist, ringen sich beide gegenseitig ein Versprechen ab: Sie wollen sich während dieser 52 Wochen jeden Dienstag treffen, um sich auf dem schwierigen Weg zu begleiten. Wirklich einfacher, wird dieser dadurch jedoch für beide nicht.
Kaum ein Film wurde letztes Jahr wohl mehr diskutiert als Boyhood, in dem zehn Jahre lang eine (fiktive) Familie mit der Kamera begleitet wurde. Im Vergleich dazu nimmt sich 52 Tuesdays mit seiner einjährigen Drehzeit deutlich bescheidener aus, auch wenn der Ansatz ähnlich ist: Anstatt mit Hilfe der Maske oder auch ohne äußerliche Veränderung einen längeren Zeitraum eines Menschen abbilden zu wollen, hielt sich die Dokumentarfilmerin Sophie Hyde bei ihrem Spielfilmdebüt an das durch den Inhalt vorgegebene Muster. Soll heißen, sie traf sich 52 Wochen lang tatsächlich jeden Dienstag mit ihren Schauspielern und filmte. Aber eben nur dann.
Durch diesen Ansatz „Darstellen statt Nachstellen“ gelingt ihr ein formal interessantes Drama, das sehr schön die Zeichen der Zeit fest hält und manchmal selbst als eine Dokumentation durchgehen würde: Gerade bei den Jugendlichen – Billie und zwei Freunden – verändert sich das Aussehen allmählich, es werden neue Frisuren ausprobiert, man wird etwas erwachsener. Aber der Ansatz hat natürlich auch inhaltliche Auswirkungen. 52 Tuesdays ist ein sehr fragmentarischer Film, der immer wieder Themen anschneidet, sie aber nicht durchgängig beibehält, in impressionistischen Kurzeinstellungen sehen wir Momentaufnahmen im Leben der beiden Menschen, die mal im Bezug stehen können, oft aber auch nicht.
Wenn es einen roten Faden in dem australischen Film gibt, dann ist es der der Identitätssuche. Angeregt durch Jane, die als Erwachsene ihr ganzes bisheriges Leben über den Haufen wirft, steht auch Billie plötzlich vor der Frage: Wer bin ich eigentlich? So unterstützend sie sich ihrem plötzlich zwischen den Geschlechtern stehenden Elternteil gegenüber auch zeigt, so tief verunsichert ist sie auch davon. Gerade weil plötzlich keine Grenzen mehr in Sicht sind, beginnt sie, mit zwei Mitschülern ihre eigenen auszutesten. Nicht aus Protest, nicht um zu schockieren, sondern weil sie darin ihre Identität zu finden hofft.
Diese Identitätssuche ist nicht durchgängig glaubwürdig. Schon die Ausgangssituation hat deutlich den Anstrich eines Experiments, wirkt weniger wie ein Blick in einen realen Alltag. Und auch später kommt es zu Situationen oder zu Dialogen, die nicht so ganz nachvollziehbar sind, der Einsatz von dramatischen Wendungen wird zum Ende hin zudem unnötig inflationär. Aber trotz dieser zeitweilig konstruierten Stimmung, Hyde ist ein bemerkenswertes Debüt gelungen, einfühlsam, einfallsreich und auch sehr gut gespielt. Die beiden Hauptdarstellerinnen tauchen tief ein in die verunsicherten Psychen ihrer beiden Figuren, gerade Nachwuchsschauspielerin Tilda Cobham-Hervey ist eine echte Entdeckung, die wir hoffentlich in Zukunft noch in weiteren Filmen sehen dürfen.
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