(„Elfen Lied“ directed by Mamoru Kanbe, 2004)
Ein Blick auf die Hörner verrät, dass man sich besser nicht mit einem Diclonius anlegen sollte. Schon bei Geburt tragen die menschlichen Mutanten dieses besondere Merkmal, weshalb sie auch rasch vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Oder auch gleich getötet, denn gefährlicher noch sind ihre telekinetischen Fähigkeiten, mit denen sie jeden mühelos umbringen können. Einer dieser Diclonii, Lucy, wurde jedoch am Leben gelassen und als Forschungsobjekt weiter verwendet. Bis zu dem Tag, als sie entkommen kann. Die Gegenwehr ist groß, letztes Endes aber chancenlos. Ein Schuss trifft sie auf der Flucht jedoch und Lucy entwickelt daraufhin eine zweite, deutlich harmlosere Persönlichkeit. Und als solche trifft sie dann auf die beiden Teenager Yuka und Kota, die sie bei sich aufnehmen – ohne zu ahnen, was sie da ins Haus gebracht haben.
Eine nackte Frau mit einem Helm über dem Kopf läuft durch die Laborflure, hinterlässt ein Blutbad bei jedem, der sich ihr in den Weg stellt. Ob nun Soldat oder Wissenschaftlerin, alles wird hier in Fetzen gerissen. Schon der Anfang macht klar, dass sich Zuschauer mit empfindlicheren Mägen besser anderweitig umschauen sollten, immer wieder kommt es in Elfen Lied zu erstaunlich expliziten Massakern, das auch vor Kindern oder kleinen Hunden nicht Halt macht. Da werden Köpfe und Gliedmaßen ausgerissen, als wären sie vorher nur versehentlich am Körper befestigt gewesen, die Freigabe ab 18 Jahren ist mehr als gerechtfertigt.
Vergleichweise harmlos ist hingegen der Sexanteil, gerade für eine Produktion des Animationsstudios Arms (Samurai Girls, Queen’s Blade). Zwar sind die Diclonii auffallend oft nackt zu sehen, den einen oder anderen Panty Shot gibt es auch, doch wer auf eine Ecchi-Serie à la Highschool of the Dead oder High School DxD aus ist, der ist bei Elfen Lied an der falschen Adresse. Ohnehin ist die Optik sicher kein Grund, sich die Animeserie von 2004 einmal anzuschauen. Vieles ist hier doch recht einfach, von den Hintergründen bis zu den Animationen, die Charakterdesigns sind mit ihren ständig tränenden Kulleraugen ein Musterbeispiel für Genreklischees, die Figuren äußerlich größtenteils austauschbar.
Überhaupt tut sich die Verfilmung eines Mangas von Lynn Okamoto (Brynhildr in the Darkness) nicht unbedingt durch eine besonders große Kreativität hervor. Mutanten mit tödlichen Fähigkeiten, geheime Experimente der Wissenschaft – das gehört zum Standardrepertoire des Horror-/Science-Fiction-Genres. Dass Diclonii letzten Endes über die Telekinese hinaus keine besonderen Talente haben, hilft auch nicht unbedingt. Denn so nett die durchsichtigen Riesenarme auch umgesetzt sind, auf Dauer mangelt es den Kämpfen an Abwechslung. Zwar versucht Elfen Lied dies durch andere Elemente auszugleichen, indem etwa Slapstickeinlagen eingebaut werden oder große zwischenmenschliche Dramen und traurige Hintergrundgeschichten, aber auch hier gilt: Wer sich ein wenig mit Anime auskennt, hat das alles schon mal woanders gesehen.
Doch trotz dieser offensichtlichen Mängel ist Regisseur Mamoru Kanbe (Sound of the Sky, Panda Z: The Robonimation) eine durchaus unterhaltsame, streckenweise sogar spannende Serie gelungen. Unterstützt von einer sakral angehauchten Chormusik erzeugt er eine dichte Atmosphäre, die weniger auf sanften Grusel als vielmehr auf blanken Horror setzt, der einen immer wieder zusammenzucken lässt. Dazu gibt es ein paar wahnsinnige Wissenschaftler und nicht minder gestörte Soldaten, was in dem Genre auch immer gut funktioniert. Ein echtes Highlight, das andere darin sehen wollen, ist Elfen Lied sicher nicht. Wem es aber nach einem blutigen Horroranime dürstet, der wird hier nicht nur aufgrund der fehlenden Konkurrenz gut bedient.
(Anzeige)