Feriado
© 2014 Lunafilms

Feriado. Erste Liebe

(„Feriado“ directed by Diego Araujo, 2014)

Feriardo Erste Liebe
„Feriardo. Erste Liebe“ erscheint am 24. April auf DVD

Doch nicht schon wieder zu den Verwandten! Den Urlaub auf der Hacienda von Onkel und Tante zu verbringen, das ist für Juan Pablo (Juan Manuel Arregui) quasi Pflicht. Große Lust hat der 16-Jährige jedoch nicht. Statt seine Zeit mit seinen Cousins zu vergeuden, die ihn ohnehin ständig nur piesacken, würde er viel lieber nur Gedichte schreiben. Doch dieses Jahr ist alles anders: Der Haussegen hängt schief, denn sein Onkel ist tief in den Bankenskandal verwickelt. Und dann wäre da noch seine Zufallsbekanntschaft Juano (Diego Andrés Paredes) aus dem Nachbardorf, für den er heimliche Gefühle hegt.

„Manchmal schaue ich nur und schaue. Ich schaue so lange, dass ich nicht mehr weiß, ob ich auf dem Kopf stehe oder die Stadt.“

Als Juan diese Worte spricht, liegt er kopfüber auf dem Dach – sein liebster Ort – und blickt auf die Stadt. Es ist nicht nur ein Moment, in dem sich Juan und Juano näher kommen, es ist auch eine schöne Metapher für das Leben des Teenagers. Und für den Film. Durch Juans Augen wird Feriado. Erste Liebe erzählt, teils sogar wörtlich: An manchen Stellen ersetzt die Kamera seine Augen, fährt den Körper von Juano auf und ab. Ohne dass dieser es merkt natürlich, denn das südamerikanische Drama erzählt gerade davon, was es heißt, erste verwirrende Gefühle zu haben. Es ist ein suchender Blick, der nicht einmal so genau weiß, was er sucht.

Mit viel Einfühlungsvermögen begleitet Regisseur und Drehbuchautor Diego Araujo seinen jungen Protagonisten dabei, ohne zu verklären, ohne zu dramatisieren. Anders als viele seiner Kollegen, bei denen ein Coming-out immer gleich mit dem Weltuntergang einhergeht, ist Feriado. Erste Liebe völlig unspektakulär, erzählt mit ruhigen Bildern und nur wenig Musik eine im Grunde banale Geschichte. Wirklich neue Aspekte gewinnt der Südamerikaner der bekannten Situation nicht ab, auch die Charaktere haben kaum auffällige Eigenheiten – sieht man einmal von Juans finsteren Gedichten und Juanos Vorliebe für Heavy Metal ab. Das wird für manche zu wenig sein, ist aber auch dank seines Hauptdarstellers wohltuend authentisch und enthält viele schöne kleine Momente des Glücks und der Unsicherheit, die auf jeden Kitsch verzichten.

Für diese Alltäglichkeit nimmt Araujo dann auch in Kauf, die Besonderheiten seines Settings letztendlich zu missachten. Der Bankenkollaps Ende der 90er in Ecuador ist hier nur Hintergrund, interessiert Juan wenig, und damit auch den Geschichtenerzähler nicht. Und auch dass Juano ein Indio ist, spielt hier keine wirkliche Rolle. Natürlich fließt der große Klassenunterschied mit ein – Juan ist ein Weißer aus gutem Haus, Juanos Familie steht vor dem Nichts –, wirklich weiter thematisiert, wird das jedoch nicht. Das Misstrauen der Indios ist anfangs deutlich, zerstreut sich aber bald.

Eine verpasste Gelegenheit, könnte man meinen, die doch recht ferne Welt Ecuadors wird schließlich nicht oft zum Inhalt eines Films. Die gelegentlichen Naturaufnahmen und die Hautfarbe mancher Protagonisten ausgenommen, Feriado. Erste Liebe hätte überall spielen können. Und doch ist diese Beiläufigkeit auch eine Stärke, denn durch sie gewinnt die Schwärmerei Juans an universeller Bedeutung. Denn letzten Endes spielt es keine Rolle, ob man nun reich oder arm ist, weiß oder farbig, homo- oder heterosexuell, in Ecuador oder Europa, es fällt nicht schwer, sich in die Situation Juans hineinzuversetzen und sich durch ihn daran zu erinnern, wie es war, sich das erste Mal in einen anderen Menschen zu verlieben.



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Ein Junge verliebt sich das erste Mal, und das auch noch in einen anderen Jungen. Das ist keine neue oder ungewöhnliche Situation, „Feriardo. Erste Liebe“ versucht auch gar nicht, aus der Geschichte mehr zu machen, als sie ist. Aber es ist dieser betont unspektakuläre Ansatz, der das südamerikanische Coming-of-Age-Drama auszeichnet und ihn so wohltuend authentisch macht.
7
von 10