(„Grzimek“ directed by Roland Suso Richter, 2015)
Eher aus der Not der Stunde heraus übernimmt Bernhard Grzimek (Ulrich Tukur) 1945 die Leitung des Frankfurter Zoos. Eigentlich ein Fall für die Abrissbirne macht der Tierarzt dank unermüdlichen Einsatzes und origineller Vermarktungsideen daraus eine Goldgrube. Doch das allein reicht dem großen Tierliebhaber nicht, sein Ziel ist es, die Fauna Afrikas für zukünftige Generationen zu retten. Zusammen mit seinem Sohn Michael (Jan Lennart Krauter) beginnt er deshalb, Dokumentarfilme zu drehen und auch im Fernsehen aufzutreten. Während er so langsam ein Bewusstsein für Artenschutz schafft und ihm die Welt zu Füßen liegt, geht seine Ehe mit Hilde (Barbara Auer) derweil in die Brüche – die leidet nicht nur unter seinem Arbeitseifer, sondern auch seinen ständigen Affären.
Eine Fernsehsendung mit bis zu 70 Prozent Markanteil, ein Oscar für den besten Dokumentarfilm (für Serengeti darf nicht sterben), eine Reihe erfolgreicher Sachbücher – bis in die 80er hinein genoss der Tierschützer Bernhard Grzimek große Popularität, war zum Symbol eines nachhaltigeren Umgangs mit der Natur geworden. Einen dreistündigen Fernsehfilm über eine solche Institution zu drehen, da liegt der Verdacht nahe, dass hier ein filmisches Denkmal gesetzt werden soll. Teilweise ist Grzimek das natürlich auch, gleichzeitig nutzte Regisseur Roland Suso Richter die satte Laufzeit, um auch einen Blick hinter die strahlende Fassade zu werfen. Und was er uns dabei zeigt, das ist nicht immer schön anzusehen.
Er habe zum Ende hin nicht mehr viel für die Menschen empfunden, sagt der von Ulrich Tukur gespielte Grzimek. Doch ließe sich darüber streiten, ob das vorher wirklich anders war. Während der gebürtige Neissener schon früh ein erstaunliches Geschick beim Umgang mit Tieren bewies, fehlte ihm für seine Artgenossen jegliches Verständnis. Überraschend, manchmal sogar schockierend blind für das menschliche Empfinden rauscht Grzimek durchs Leben, verfolgt stur und ohne viel Kompromissbereitschaft seine eigenen Ziele und stürzt in einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Egoismus andere Leute regelmäßig ins Unglück.
Dabei wurde von Richter beiden Seiten ungefähr gleich viel Platz eingeräumt, bemüht sich also um eine Balance. Dennoch fällt es schwer, beides voneinander zu trennen – die Verdienste und das äußerst fragwürdige Privatleben. Tatsächlich wird einem der Tierschützer, aber auch andere aus seinem Umfeld, im Laufe des Films so unsympathisch, dass einem die Anteilnahme später verloren geht. Und das ist bei einem Biopic vielleicht nicht die beste Voraussetzung. Schade auch, dass derart zugespitzt wurde, dass Aspekte, die eben weder dem Kampf für die Tiere noch seinem privaten Unglück zuzuordnen waren, komplett ignoriert wurden. Die Fotoagentur, mit der Bernhard und Michael viel Geld verdienten, fiel ebenso unter den Tisch wie zwei weitere Söhne: Rochus aus der Ehe mit Hildegard sowie Cornelius aus derselben Affäre wie Monika. Eine direkte Abbildung des Lebens ist der Film damit nicht, was nicht zur Geschichte gepasst hat, wird einfach ignoriert.
Interessant ist Grzimek dennoch, als Porträt eines bemerkenswerten Mannes, aber auch als eines der Geschichte des Tierschutzes. So dürfen wir miterleben wie sich das Bewusstsein im Laufe der Zeit änderte. Was in den 50ern noch eine Gesellschaft war, der das Schicksal der Tiere völlig egal war, sah in den 80ern schon ganz anders aus. Grzimek, ein müder, kranker Mann geworden, steht plötzlich einer Generation gegenüber, deren Radikalität seiner entspringt, ihn aber längst überholt hat. Die Brücke zur Jetztzeit wird zwar nicht geschlagen, wo Tierschutz und Biobedürfnis zu einem Statement und einen Statussymbol wurden, aber die Anfänge, die werden hier sehr schön herausgearbeitet. Da auch die Ausstattung gelungen ist, viele exotische Tiere gezeigt werden, teils auch Originalaufnahmen von Grzimek selbst, ist der Film nicht nur Tierfreunden zu empfehlen, sondern auch den Zuschauern, die mehr über die Entwicklung der letzten Jahrzehnte erfahren wollen.
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