Haerte
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Härte

(„Härte“ directed by Rosa von Praunheim, 2015)

Haerte
„Härte“ läuft ab 23. April im Kino

Von klein an wurde Andreas Marquardt von seinen Eltern systematisch missbraucht. Während sein Vater ihm körperliche Gewalt antat, einmal sogar die Hand brach, überredete seine Mutter (Katy Karrenbauer) ihn zu sexuellen Handlungen. Durch den Umzug in eine eigene Wohnung nahmen die Misshandlungen zwar ein Ende, doch wirklich entkommen konnte er seiner Vergangenheit so nicht. Inzwischen erwachsen geworden (Hanno Koffler) lässt er seine Aggressionen im Kampfsport heraus, aber auch als brutaler Zuhälter. Erst durch seine Gefängnisstrafe beginnt Marquardt, seine Erfahrungen zu verarbeiten – auch dank der Hilfe seiner treuen Freundin Marion (Luise Heyer).

Karateweltmeister, engagierter Wohltäter, Missbrauchsopfer, brutaler Verbrecher – Andreas Marquardt hat viele Gesichter. Dass Rosa von Praunheim, nie einem ungewöhnlichen Dokumentationsthema abgeneigt (Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt), Gefallen an der schillernden Persönlichkeit findet, überrascht nicht wirklich. Wie er diese bzw. die Autobiografie Marquardts in seinem Film verarbeitet, dafür definitiv.

Anfangs scheint Härte noch ein Dokumentarfilm unter vielen zu sein: Marquardt plaudert eifrig aus dem Nähkästchen, seine alte und neue Lebensgefährtin Marion gibt ebenfalls ihren Senf dazu. Es ist die übliche Nabelschau, irgendwo zwischen offener Abrechnung und Selbstbeweihräucherung. Vieles davon hört sich übertrieben an, eine tragische Soap-Opera, wie sie auch im Nachmittagsfernsehen laufen könnte, hinter den geläuterten Beichtgeheimnissen klingt auch immer Stolz hervor, wenn Marquardt davon erzählt, wie er Frauen wie Dreck behandelt hat, als späte Reaktion auf seinen eigenen Missbrauch.

Während diese erzählten Rückblicke wenig auffällig sind, sind es die nachgespielten umso mehr. Dass vergangene Szenen zwecks dramatischer Steigerung dem Zuschauer noch einmal vorgeführt werden, gehört zum bewährten Handwerk gerade von TV-Dokumentationen. Während sie dort aber zumindest versuchen, das Leben darzustellen, werden sie hier zu einem absurden Erlebnis, als habe von Praunheim sein Thema wiedergeben, gleichzeitig aber auch karikieren wollen.

Ob es nun der Einfall ist, die Erfahrungen als Kind aus der Egoperspektive zu zeigen, ohne dass man den Protagonisten selbst je zu Gesicht bekommt, die völlig in Schwarz-Weiß gehaltenen Aufnahmen oder auch die leblos-spartanischen Einrichtungen der Wohnung: Nichts davon wirkt real, gelebt, alles ist übersteigert und grotesk, ein auf Film festgehaltenes absurdes Theater. Dass Hanno Koffler als junger Marquardt den Proll mit Berliner Schnauze gibt, der ohne ersichtlichen Anlass losbrüllt und um sich prügelt – zu unnatürlichen Schlaggeräuschen –, verstärkt den komischen Effekt ebenso wie Katy Karrenbauer als schmierige, laszive Mutter.

Unterhaltsam ist das irgendwo schon, versprüht den pseudoauthentischen und gleichzeitig hoffnungslos übertriebenen Charme der 70er Jahre Sexreportagen. Aber es lädt nur wenig dazu ein, beim Geschehen mitzufühlen und Andreas Marquardt als einen tatsächlichen Menschen wahrzunehmen und kennenzulernen. Zurück bleibt nach 90 Minuten der Eindruck, hier jemandem gegenüberzusitzen, der beeindruckend, faszinierend und lächerlich zugleich ist, bei dem Leben und Maske untrennbar miteinander verschmolzen sind.



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Wer ist Andreas Marquardt? Basierend auf dessen Autobiografie zeigt Rosa von Praunheim ihn in „Härte“ als einen zugleich beeindruckenden und lächerlichen Mann, indem er dessen Leben in einer Mischung aus herkömmlicher Dokumentation und grotesk nachgestellten Szenen schildert.