Herr Lehmann
© 2003 Boje Buck Production

Herr Lehmann

(„Herr Lehmann“ directed by Leander Haußmann, 2003)

Herr Lehmann
„Herr Lehmann“ ist seit 27. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich

Wenn es den Alkohol nicht gäbe, weiß der Himmel, womit Frank Lehmann (Christian Ulmen) seinen Alltag so füllen würde. Nicht nur, dass er selbst hinter der Theke steht, er ist auch bei anderen Stammkunde, so lange es nur möglichst früh möglichst viel Bier, Schnaps oder ähnliches gibt. Als er mal wieder morgens in der Kneipe sitzt und als Katerfrühstück einen Schweinsbraten bestellen will, gerät er mit der resoluten Köchin Katrin (Katja Danowski) aneinander. Während die sich noch über die unmöglichen Essgepflogenheiten aufregt, ist Herr Lehmann, wie er von allen genannt wird, in Gedanken bereits ein paar Jahre weiter: Katrin soll seine Frau werden und damit seinem Leben erst einen Sinn geben.

Gleich bei der zweiten Regiearbeit fürs Kino einen Kultroman verfilmen zu dürfen, das ist alles andere als selbstverständlich. Leander Haußmann gelang dieses Kunststück, als er den Zuschlag für „Herr Lehmann“ erhielt. Dass er dessen Autor, den Element-of-Crime-Sänger Sven Regener persönlich kannte, dürfte daran nicht ganz unschuldig gewesen sein. Vermutlich dürfte aber auch Haußmanns Debüt Sonnenallee seinen Anteil daran gehabt haben.

Tatsächlich haben beide Filme so einiges gemeinsam. Beide spielen sie im Berlin vor der Wende, vermischten einen großen Teil Komödie mit dezenten ernsthafteren Themen, ohne dabei eine durchgängige Geschichte zu erzählen. Stattdessen sehen wir in immer neuen Episoden zu, wie eine Reihe skurriler Figuren versucht, ihr Leben zu meistern. Diese sind in Herr Lehmann jedoch etwas älter, West-Berliner und zeigen so überhaupt kein Interesse an der politischen Situation. Die Wende, das Öffnen der Mauer, hier findet das nur ganz am Rande statt, als wäre dies alles gar nicht so wichtig. Und noch etwas ist anders: War Sonnenallee bei aller ironischer Übertreibung ein Film über den Alltag, scheint der hier schon längst im Alkohol davongespült worden zu sein. Alles hier ist etwas grotesker, dunkler. Und auch irgendwo trauriger. Die Lebensfreude der DDR-Jugendlichen, die hat hier keine wirkliche Entsprechung.

Doch trotz dieser etwas dramatischeren Ausrichtung, so richtig nahe geht einem das Schicksal der Leute hier nicht. Ob das überhaupt die Absicht war, darüber lässt sich natürlich streiten. Wenn aber wie bei Herr Lehmann ein Film mit seiner eigentlich zentralen Liebesbeziehung immer wieder fremdelt, ist das nicht unbedingt förderlich. „Ich liebe dich natürlich, aber ich bin nicht verliebt in dich“, sagt Katrin zwischendurch zu Frank. Und das zieht sich wie ein roter Faden durch den ansonsten zusammenhanglosen Film: Alles ist, aber irgendwie doch nicht, man will ja, weiß nur nicht was. Aber eines Tages wird alles ganz anders werden, absolut, ohne dass irgendeiner hier sagen kann, was „alles“ denn nun sein soll.

Das ist oft komisch, verschroben, streckenweise geradezu surreal in seiner konsequenten Nichtkonsequenz, den dreckig-grauen Bildern, vor denen leidenschaftlich über Nichtigkeiten philosophiert wird. Witzig beispielsweise ist der Running Gag, dass der Protagonist von jedem nur mit dem Nachnamen angesprochen, dabei aber geduzt wird. Genau erklären kann das keiner, Herr Lehmann selbst regt sich aber wahnsinnig darüber drauf – was von dem früheren Moderator Christian Ulmen auch umwerfend gespielt wird. Ähnlich starke Emotionen wird Herr Lehmann sicher nicht hervorrufen, dafür ist der lakonische Sonderling zu weit entfernt, zu wenig greifbar. Wie eine existenzielle Erkenntnis, die man nachts während einer viel zu langen viel zu bierlastigen Party hatte, von der man am nächsten Morgen genau weiß, dass sie da war, die sich aber längst im Nebel der Erinnerungen verlaufen hat.



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Die Verfilmung des gleichnamigen Kultbuchs ist ein Fall für die Freunde skurriler Figuren. Immer wieder gefällt „Herr Lehmann“ mit seinem verschrobenen Humor, der oft ins Surreale abgleitet. Sonderlich viel Inhalt hat der Film jedoch nicht zu bieten, die episodenhafte, trostlose Komödie bleibt in ihrem Nonsens kaum greifbar.
7
von 10