(„Im Krieg“ directed by Nikolai Vialkowitsch, 2014)
Zum 100. Mal jährte sich 2014 der Krieg, der alle Kriege beenden sollte. Dass es dabei nicht blieb, ist bekannt, wer wann wo und warum kämpfte auch – schließlich gab es genug Bücher, Filme und wissenschaftliche Arbeiten, um das Vergangene aufzuarbeiten. Braucht es da wirklich noch eine neue Dokumentation zum Ersten Weltkrieg? Das vielleicht nicht, Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D zeigt aber, dass selbst bei einem so oft behandelten Thema ein neuer Blickwinkel möglich ist.
Der erste wird bereits im Untertitel verraten: Nicht erst seit Avatar versuchen Filmemacher, durch das Hinzufügen der dritten Dimension den Zuschauer stärker ins Geschehen hineinzuziehen (und dabei noch ein paar Dollar mehr zu machen). Schon früher, viel früher, experimentierte man mit 3D-Aufnahmen. Einer dieser Vorläufer war die stereoskopische Fotografie, mit der schon im 19. Jahrhundert räumliche Aufnahmen möglich waren. Und damit eben auch vom Krieg. Zahllose dieser Bilder hat Regisseur Nikolai Vialkowitsch hier versammelt, sorgfältig restauriert, teils koloriert.
Das Ergebnis ist dann auch tatsächlich beeindruckend. Angefangen von historischen Aufnahmen am Strand, Impressionen von Paris über fotografierte Kriegsschauplätze in Europa bis hin zu Kasernen und Krankenhäusern reicht die Palette, anders als bei vielen aktuellen Blockbustern, wo das 3D eher irritiert denn integriert, gelingt es Vialkowitsch tatsächlich, längst vergangene Zeiten und verfallene Orte wieder zum Leben zu erwecken. Gerade die Szenen, in denen viele Menschen zu sehen sind, gewinnt der Film durch die räumliche Perspektive.
Aber auch wer keinen 3D-Blu-ray-Player nebst kompatiblem Fernseher sein Eigen nennt, sollte ruhig einen Blick auf Im Krieg werfen. Anders als die meisten Dokumentarfilme versucht Vialkowitsch hier gar nicht, die Hintergründe und Zusammenhänge zu erklären. Die setzt er voraus. Stattdessen entschied er sich für einen sehr persönlichen Zugang, lässt Briefe und Tagebucheinträge vorlesen, während wir die Bilder von einst betrachten oder auch kurze Videoaufnahmen. Die Autoren dieser Schriftstücke sind bunt gemischt, setzen sich aus Journalisten, Soldaten, Krankenschwestern oder auch Hinterbliebenen zusammen, aus den unterschiedlichsten Nationalitäten. Auf diese Weise entsteht ein Kaleidoskop des Leids, welches keine Landes- oder Einkommensgrenzen kennt, der Schrecken des Krieges erhält hier ein erschütternd persönliches und gleichzeitig universelles Gesicht.
Während Im Krieg durch den allmählichen Wechsel von Hoffnung und Euphorie hin zu Verzweiflung und Schmerz begleitet durch die entsprechenden Bilder eine ungeheure Wirkung entfaltet, ist die musikalische Begleitung weit weniger geglückt. Wohl in der Annahme, dass Text und Fotografien heutzutage nicht mehr ausreichen, um den Zuschauer zu packen, griff man auf eine besonders theatralische Musik zurück. Die ist nicht nur völlig übertrieben und raubt dem Film seine eigentliche Kraft, sie ist auch so laut eingestellt, dass man die Stimmen zuweilen kaum mehr hört. Vialkowitsch wäre gut beraten gewesen, an dieser Stelle doch mehr Zurückhaltung zu üben und dem Inhalt mehr zu vertrauen. Denn der ist so fesselnd, dass einem auch ein hundert Jahre zurückliegendes Ereignis auf einmal schmerzlich präsent ist.
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