Xenia
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Xenia – Eine neue griechische Odyssey

(„Xenia“ directed by Panos H. Koutras, 2014)

Xenia
„Xenia – Eine neue griechische Odyssey“ ist seit 27. Februar auf DVD erhältlich

Gesehen haben sich die beiden Brüder schon länger nicht mehr: Während Odysseas (Niko Gelia) so bald wie möglich das Haus verließ, um nach Athen zu gehen, lebte Danny (Kostas Nikouli) weiterhin bei ihrer albanischen Mutter in Kreta. Als diese stirbt, beschließt der 16-Jährige seinen älteren Bruder zu überreden, mit ihm nach Thessaloniki zu gehen. Dort, so heißt es, soll ihr griechischer Vater gesehen worden sein, der die Familie im Stich ließ, als die beiden noch kleine Kinder waren. Inzwischen zu großem Reichtum gekommen, fordern Danny und Odysseas ihren Anteil daran und auch, von ihm offiziell anerkannt zu werden – sonst droht den beiden Albanern die Abschiebung.

Wenn in Filmen homosexuelle Jugendliche zu Protagonisten auserkoren werden, dann oft, um deren Suche nach sexueller Identität zu zeigen oder auch der Kampf um Akzeptanz. Beides ist Danny völlig egal, der Junge mit dem auffallenden Nasenschmuck, der schrillen Kleidung, den gefärbten Haare – er weiß, was er will. Und sollte jemand darin ein Problem sehen, auch das ist ihm egal. Ohne Rücksicht auf Verluste und ohne das geringste Bedürfnis nach Anpassung stolziert er so durch Griechenland und gerät ständig mit anderen aneinander.

Und doch, Identität spielt in Xenia – Eine neue griechische Odyssey eine große Rolle. Sie seien überall ein wenig zu Hause, aber nirgends so richtig, stellt Odysseas irgendwann fest. So wie ihnen geht es vielen Nachkommen von Einwanderern, die nie wirklich in Griechenland ankamen, aber in ihrem Heimatland ebenfalls nichts zu suchen haben. Deren Schicksal wird ebenso angesprochen wie eine erstarkende Fremdenfeindlichkeit, die sich in Xenia in brutalen Übergriffen bemerkbar macht. Halt finden die beiden Brüder dann auch in keiner Nationalität, sondern in der Musik eines dritten Landes: Wie ihre Mutter schon sind Danny und Odysseas große Anhänger der italienischen Diva Patty Pravo. Wenn die beiden zur Musik der Schlagerqueen tanzen, singen und feiern, darin nicht nur sich selbst, sondern auch einander finden, dann ist das einer der warmherzigsten Momente des griechischen Films.

Bewegendes Drama, skurrile Komödie und kurzweiliger Roadmovie, Identitätssuche, Coming-of-Age und Gesellschaftsporträt – Regisseur und Kou-Autor Panos H. Koutras interessieren Schubladen nur wenig, er nimmt, was er findet, und wirft einfach alles zusammen. Verstärkt wird dieser wirre Grenzgang durch einen kräftigen Schwenk ins Surreale. Wenn Danny mit seinem kleinen Kaninchen Dido redet und sich in seltsamen Träumen wiederfindet, mischt Xenia das Mystische von Animals und Donnie Darko mit der melancholischen Sehnsucht von Alpen, rundet das Ganze aber mit schrillem Humor ab. Wirklich ausgeglichen und stimmig ist der Film auf diese Weise natürlich nicht, kann es auch gar nicht sein, will es vermutlich aber auch nicht. Stattdessen spiegelt sich in der ziellosen filmischen Reise die innere Sinnsuche der beiden wieder, die schon von früh an sich selbst überlassen wurden.

Doch genau deshalb ist für Freunde des Außergewöhnlichen Xenia ein echter Geheimtipp. Koutras gelang hier nicht nur einer der eigenwilligsten Beiträge des schwul-lesbischen Kinos der letzten Jahre, sondern auch einer der interessantesten, der das auf Sicherheit und bekannte Themen fokussierte Gros der Konkurrenz mühelos hinter sich lässt. Gerade bei der Wahl seiner beiden Hauptdarsteller zeigte Koutras ein glückliches Händchen: Wenn Kostas Nikouli und Nikos Gelia als ungleiches Brüderpaar durch Griechenland tanzen, schleichen und wüten, einen Platz im Leben herbeisehnen und dabei zuweilen eine Schneise der Verwüstung hinter sich lassen, kann man gar nicht anders, als sie bei ihrer Reise anzufeuern. Zu hoffen, dass sie am Ende das finden, was sie suchen. Dass dabei nicht alles klappt, weder bei ihnen, noch beim Film, eine wirkliche Bedeutung hat das nicht, denn die faszinierende Odyssee hat zu dem Zeitpunkt längst so viele Sympathiepunkte gesammelt, dass man über gelegentliche Schwächen nur zu gern hinwegsieht.



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Wenn zwei Halb-Albaner durch Griechenland tingeln, um ihren Vater und sich selbst zu finden, ist das komisch, bewegend und surreal zugleich. Nicht alles passt hier gut zusammen, der Film ist ebenso ziellos wie seine Protagonisten. Doch verzeiht man das „Xenia“ schnell, denn die anarchische Genremischung ist faszinierend und ungemein sympathisch.
7
von 10