(„The Eligible Bachelor“ directed by Peter Hammond, 1993)
Vermögend, gutaussehend, charmant – kaum ein Junggeselle Englands stellt einen ähnlich guten Fang dar wie Lord Robert St. Simon (Simon Williams). Was also könnte die schöne amerikanische Erbin Henrietta Doran (Paris Jefferson) am Tag ihrer Hochzeit so aus der Fassung gebracht haben, dass sie kurze Zeit darauf verschwindet? Ratlos sucht der Bräutigam die Hilfe von Sherlock Holmes (Jeremy Brett) und seines Gehilfen Doktor Watson (Edward Hardwicke). Doch dessen Interesse hält sich in Grenzen, hat er doch gerade ganz eigene Probleme: Seit einiger Zeit plagen ihn seltsame Alpträume, aus denen er sich einfach keinen Reim machen kann.
Wie schon bei Der König der Erpresser und Der letzte Vampir hatte Granada Television auch hier die schwierige Aufgabe, aus einer recht dünnen Kurzgeschichte einen ausgewachsenen Spielfilm machen zu wollen. Was also tun? Der Ausweg war, das 1892 erschienene Original „Der adlige Junggeselle“ von Arthur Conan Doyle nicht zu wörtlich zu nehmen. Vielmehr diente der Fall um eine vom Hochzeitstisch geflohene Braut lediglich als Inspirationsquelle, die um zahlreiche Elemente und Charaktere erweitert wurde. Während das sich hier langsam hervortretende Komplott recht gut in das Grundgerüst einfügt, lässt sich das von anderen Einfällen weniger behaupten.
Kontrovers diskutiert wird unter den Holmes-Anhängern bis heute, was es mit diesen seltsamen Träumen auf sich hatte. Verstörend und prophetisch zugleich nehmen diese einiges vom Fall vorweg, bieten frühe Hinweise darauf, was eigentlich passiert ist. Und genau das stößt so manchem sauer auf: Sherlock Holmes, der Meisterdetektiv, die Verkörperung des Rationalen soll mit Hilfe des Irrationalen ein Verbrechen lösen und noch dazu die Kontrolle über sich verlieren? Unvorstellbar!
Tatsächlich irritieren diese ausschweifenden Szenen etwas und passen gleichzeitig doch wunderbar zu der Leistung von Jeremy Brett. Der für viele ultimative Darsteller der berühmten literarischen Figur hatte in seinen letzten Lebensjahren mit immer größeren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. In Der begehrte Junggeselle tut es ihm seine Rolle nun gleich, der schon immer exzentrische Holmes droht hier jeden Halt zu verlieren und in den Wahnsinn hinabzugleiten. Das mag ungewohnt sein, ist aber dank des brillanten Bretts auch ein ungemein faszinierender Anblick.
Während sich bei der Abkehr vom rationalen Ermittler die Geister scheiden, liegt das größere Problem woanders: Der begehrte Junggeselle ist recht langweilig. Gerade weil hier so viel Zeit für die Träume verwendet wird, kommt die eigentliche Geschichte kaum in Gang. Erst sehr spät, weit in der zweiten Hälfte, gewinnt der Film an Fokus, wird dann erst zu einem tatsächlichen Fall. Bis dahin dürften nicht wenige Zuschauer aber längst die Geduld verloren haben und angesichts der kontinuierlichen Ereignislosigkeit ihr Vergnügen woanders versuchen. Ganz überzeugt war man wohl auch bei Granada nicht von dem Ergebnis, Der begehrte Junggeselle war der letzte der fünf Langfilme der Reihe. Eine letzte Staffel sollte Die Abenteuer des Sherlock Holmes anschließend noch bekommen, doch hier hielt man sich an das bewährte 50-Minuten-Format, die Zeit der Experimente war vorbei.
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