(„The Master Blackmailer“ directed by Peter Hammond, 1992)
Wer ihn nicht näher kennt, würde Charles Augustus Milverton (Robert Hardy) für einen kultivierten, freundlichen Gentleman halten. Dass der Antiquitätenhändler noch ganz anders kann, das haben diverse Bürger aus der Oberschicht am eigenen Leib erfahren müssen: Milverton versteht sich meisterhaft darauf, pikante Geheimnisse anderer in Erfahrung zu bringen und diese damit zu erpressen. So geschickt ist er bei der Sache, dass selbst Sherlock Holmes (Jeremy Brett) und sein treuer Freund Dr. Watson (Edward Hardwicke) machtlos sind. Und so bleibt dem Meisterdetektiv nur eine Möglichkeit: Er gibt sich als Klempner aus, um Zugang zum Haus des Meistererpressers zu erhalten.
Was ist die größere Herausforderung für einen Filmemacher: einen Roman oder eine Kurzgeschichte adaptieren? Wer ein ganzes Buch umsetzen will, muss sich oft mit lästigen Kürzungen herumschlagen und viel Mut zur Lücke zeigen. Bei einer Kurzgeschichte ist das natürlich nicht notwendig, hier besteht eher die Schwierigkeit darin, den Stoff auf Spielfilmlänge auszubreiten. Im Fall der Serie Die Abenteuer des Sherlock Holmes hatte man erst gar nicht die Wahl: Gerade einmal vier Holmes-Romane hatte Arthur Conan Doyle zeit seines Lebens geschrieben, groß war der Fundus also von vornherein nicht. Das Zeichen 4 und Der Hund von Baskerville waren bereits umgesetzt, „Eine Studie in Scharlachrot“ und „Das Tal der Angst“ hätten als Langfilme kaum funktioniert. Als Anfang der 90er die Entscheidung getroffen wurde, nur noch Episoden in Spielfilmlänge zu drehen, blieben also nur die Kurzgeschichten übrig.
Fündig wurde man bei „Charles Augustus Milverton“. Die war mit einer Länge von einem guten Duzend Seiten zwar auch nicht unbedingt filmfüllend, ließ sich aber relativ einfach und überraschend natürlich erweitern: Viele der tragischen Geschichten um Milvertons Opfer wurden in der literarischen Vorlage nur beiläufig erwähnt, gaben eher den Kontext für das turbulente Finale vor. In Der König der Erpresser rücken diese nun weiter in den Vordergrund, so weit, dass der Film mehr Drama- als Krimielemente enthält. Letztere sind ohnehin hier recht schwach ausgeprägt. Wer der Bösewicht ist, weiß man bereits, Rätsel oder Mysterien gibt es keine. Wirklich spannend ist die Jagd auf den Meisterverbrecher daher nicht, zu oft wird sie von den einzelnen Fällen unterbrochen, die überragende Intelligenz von Holmes kommt hier kaum zum Einsatz.
Dafür ist das Ganze fabelhaft gespielt: Jeremy Brett darf nach seinem eher enttäuschenden Auftritt in Der Hund von Baskerville in vielerlei Hinsicht glänzen, zeigt eine ungewohnt emotionale Seite von Holmes, an Stelle der berechnenden Kühle tritt hier Einfühlungsvermögen und Warmherzigkeit. Und auch sein Gegenüber Robert Hardy erhält hier viele Gelegenheiten zum Glänzen: Sein Milverton ist ein stets beherrschter und höflicher Mann, dessen Äußeres in einem starken Kontrast zu seinem umbarmherzigen, grausamen Inneren steht. Viel muss Hardy nicht einmal dafür tun, ihm genügt der Anflug eines Lächelns während er mit Engelszungen andere in den Ruin treibt. So sehr sich Der König der Erpresser zwischenzeitlich auch zieht, allein für die intensiven Momente, wo beide aufeinandertreffen, lohnt sich der Film. Abgerundet wird das Vergnügen durch die fein-abscheulichen Darstellungen von Milvertons Gehilfen, die das monströse Treiben überhaupt erst möglich machen.
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