(„For No Eyes Only“ directed by Tali Barde, 2012)
Bei Computerthemen kann man immer auf Sam (Benedict Sieverding) zählen: Egal ob nun was zusammengeschraubt werden muss oder es ums Programmieren geht, ihm macht so leicht niemand etwas vor. Aber auch zum Hockey hat er eine große Affinität – bis er sich dabei das Bein bricht und nun kaum mehr aus dem Zimmer kommt. Doch das muss ja kein Nachteil, hat er doch kürzlich eine einfache und doch höchst effektive Methode entdeckt, per Webcam seine Mitschüler zu beobachten. Vor allem zwei davon erregen seine Aufmerksamkeit: sein Langzeitschwarm Livia (Luisa Gross) und der neue Mitschüler Aaron (Tali Barde). Denn der verhält sich so seltsam, dass Sam bald auf die Idee kommt, der Sonderling könnte seinen Vater umgebracht haben.
Ein Protagonist mit einem Gipsbein, der beim Beobachten seines Umfelds einen vermeintlichen Mord beobachtet – das erinnert nicht nur zufällig an Alfred Hitchcocks Klassiker Das Fenster zum Hof. Aus einem Fernglas wird hier zwar eine deutlich zeitgemäßere Webcam, das Prinzip selbst blieb aber unangetastet. Für Tali Barde, der nicht nur Regie führte und das Drehbuch schrieb, sondern es sich nicht nehmen ließ, den undurchsichtigen Aaron auch noch gleich mitzuspielen, ist das Abkupfern aber kein Grund zur Scham. Im Gegenteil: Offen verneigt er sich vor dem Altmeister des Thrillergenres, baute neben den offensichtlichen Parallelen auch noch eine sehr nette Anspielung auf Hitchcock selbst ein.
Der zweite große Unterschied neben den moderneren Spionagemitteln ist das Alter der Protagonisten, denn die gehen hier allesamt noch zur Schule. Und das ist mehr als eine nur kosmetische Veränderung, denn For No Eyes Only – eine originelle Abänderung des James-Bond-Films In tödlicher Mission (Originaltitel: For Your Eyes Only) – entscheidet sich erst relativ spät, die Mördersuche wirklich ernstzunehmen. Vorher? Da wird viel gelacht, der Film würde die erste halbe Stunde lang eher als Teeniekomödie durchgehen. Und auch Elemente der Romanze werden eingebaut, wenn bei Sam, Livia und Aaron noch ganz andere Gefühle ins Spiel kommen als Neugierde, Misstrauen und Mordlust.
Insgesamt ist For No Eyes Only daher auch eher für ein jugendliches Publikum zu empfehlen, die sich hier – trotz der nicht unbedingt optimalen Leistungen der Laiendarsteller – in vielem selbst wiederfinden dürften. Ob es nun peinliche Situationen sind, die dank Webcam ans Tageslicht kommen, oder die Unsicherheit beim Umgang mit dem anderen Geschlecht, da wird sicher auch ein bisschen die eigene Erfahrung in Filmform umgesetzt worden sein. Das ist vielleicht nicht spektakulär, aber doch zumindest sympathisch, denn während Hollywoodkollegen wie Paranoia oder Blackhat das inzwischen so populäre Cyberthema aufgreifen, letzten Endes damit aber nicht viel anzufangen wissen, wirkt das Computerumfeld hier doch deutlich natürlicher und stärker am tatsächlichen Leben orientiert.
Sicher kann Barde für sich nicht in Anspruch nehmen, es auch nur annähernd in dieselbe Liga wie sein Vorbild geschafft zu haben. Aber für ein unabhängig produziertes Filmdebüt eines damals nur 22-Jährigen kann sich For No Eyes Only auf jeden Fall sehen lassen, hat die eine oder andere interessante Kameraperspektive sowie stimmungsvolle Musik vorzuweisen und ist gegen Ende hin sogar relativ spannend. Der moralische Aspekt des Beobachtens und die grundsätzlichen Gefahren der Cyberwelt werden hier zwar kaum angegangen, die Handlung hätte auch etwas kräftiger ausfallen dürfen. Dennoch macht der Erstling zumindest neugierig, was der junge Filmemacher in Zukunft sonst noch so auf die Beine stellen wird.
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